Hate speechWas ist Hassrede?
Ursprünglich stammt der Begriff hate speech aus den USA. Seit einiger Zeit wird er auch in Deutschland verwendet. Doch was ist mit "Hassrede" eigentlich genau gemeint? Ein Vortrag der Philosophin Inga Bones.
Jemanden als "Geizhals" oder "Schleimer" zu bezeichnen ist beleidigend. Zu sagen "Mädchen können keinen Fußball spielen" oder "Deutsche haben keinen Geschmack" ist diskriminierend. Aber keins dieser Beispiele sollte vermutlich als "Hassrede" eingestuft werden, sagt die Philosophin Inga Bones.
"Nicht jedes diskriminierende Verhalten ist Hassrede."
Inga Bones versucht in ihrem Vortrag, eine Definition des Ausdrucks "Hassrede" zu entwickeln. "Hassrede" stammt aus dem Englischen, es ist eine Übersetzung des Begriffs "Hate Speech". Dieser Begriff hat sich in den USA im Rahmen von größer angelegten Bewegungen, wie Black Lives Matter, entwickelt, erklärt Inga Bones. Dabei geht es darum, strukturelle Diskriminierungen sichtbar werden zu lassen und zu kritisieren.
Der Begriff "Hassrede" wird uneinheitlich verwendet
Wenn wir heute in Deutschland von Hassrede sprechen, dann sind damit oft sehr unterschiedliche Dinge gemeint. Deshalb, so Bones, sollten wir uns fragen, was wir mit dem Begriff genau ausdrücken wollen.
Hassrede und auch so genannte "Slurs" unterscheiden sich von anderen Formen der Beleidigung oder Diskriminierung, indem sie sich auf ganz bestimmte Merkmale von Einzelpersonen oder Gruppen beziehen, sagt Bones. Diese Merkmale sind identitätsstiftend und können nicht einfach abgelegt werden.
"Für Hassrede scheint charakteristisch zu sein, dass sie Einzelpersonen oder Gruppen auf Basis einer Reihe von Eigenschaften in einer schwerwiegenden Weise angreift, herabsetzt oder diskriminiert."
Ein Geizhals ist jemand, der geizig ist – er oder sie könnte aber prinzipiell auch jeder Zeit großzügig werden. Diese Möglichkeit, eine Eigenschaft einfach zu ändern oder abzulegen, besteht bei sogenannten "geschützten Eigenschaften" aber nicht, sagt Bones. Dazu gehören Rasse, ethnische Herkunft, Nationalität, Klasse, Geschlecht, Gender, Religion, sexuelle Orientierung.
"Die Freiheit der Meinungsäußerung ist ein Grundrecht, das auch in unserer Verfassung verankert ist. Welche Sprechakte eine Gesellschaft sanktionieren sollte, ist aus gutem Grund Gegenstand von Debatten."
Nach Bones' Definition muss eine sprachliche Äußerung, um als Hassrede zu gelten, eine Person aufgrund ihrer geschützten Eigenschaften auf eine schwerwiegende Weise angreifen oder herabsetzen. Äußerungen, die als Hassrede gelten, werden und sollten von uns als Gesellschaft sanktioniert werden, moralisch und unter Umständen auch strafrechtlich. Doch Redefreiheit ist ein hohes Gut, betont Bones, das durch das Grundgesetz geschützt ist. Deshalb ist es wichtig, den Begriff der Hassrede so präzise wie möglich zu definieren.
Inga Bones ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Philosophie des Karlsruher Instituts für Technologie. Ihr Vortrag hat den Titel "Hassrede - Versuch einer Definition". Sie hat ihn am 21. Mai 2024 im Rahmen der Vorlesungsreihe "Sprachliche Ungerechtigkeiten" in Gießen gehalten. Organisiert hat diese Reihe das Collegium Gissenum der Justus-Liebig-Universität Gießen.
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