Hate SpeechHasskommentare im Zweifel bei der Polizei anzeigen
Es ist nicht immer einfach zu entscheiden, ob ein Kommentar in den Sozialen Medien von der Meinungsfreiheit gedeckt oder strafrechtlich relevant ist. Im Zweifel immer anzeigen, rät der Staatsanwalt Christoph Hebbecker. Wo die Grenzen verlaufen und was ihr bei einer Anzeige beachten müsst, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Nico Rau.
Meinungsfreiheit ist in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt - natürlich auch in den Sozialen Medien. Wann ein Kommentare nicht mehr eine Meinung widerspiegelt, sondern in den Bereich des Strafbaren fällt, muss daher immer für den Einzelfall entschieden werden, sagt unser Reporter Nico Rau. Es kann vorkommen, dass wir einen beispielsweise Kommentar unter einem Facebook-Post als dreist oder verletzend empfinden, er aber rechtlich gesehen einwandfrei ist, weil er eben nur eine Meinung wiedergibt. Erst, wenn ein Kommentar im Netz die Rechte eines Menschen verletzt, können juristische Schritte eingeleitet werden.
Staatsanwalt Christoph Hebbecker:
Kommentare im Zweifel lieber anzeigen
In Fällen, in denen beispielsweise der Holocaust geleugnet wird oder der Verfasser eines Kommentars ganzen Volksgruppen den Tod wünscht, ist es ziemlich eindeutig, dass die Äußerungen auch strafrechtlich verfolgt werden können. Selbst, wenn wir in so einem Fall nur ein ungutes Gefühl haben und uns nicht sicher sind, ob wir solch einen Kommentar anzeigen können, empfiehlt der Staatsanwalt Christoph Hebbecker, Anzeige zu erstattet. Er ist der Ansicht, dass es gar nicht unsere Aufgabe als Einzelperson ist, einzuschätzen, ob eine Meinung, die im Netz verbreitet wird, strafbar ist. Der Staatsanwalt empfiehlt also: Im Zweifel lieber anzeigen, statt nichts zu tun.
Christoph Hebbecker nennt ein Beispiel: Ein Mann postete das Bild eines Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg mit einem Maschinengewehr. Das Foto war versehen mit einer Bildunterschrift: "In etwa das schnellste Asylablehnungsverfahren aller Zeiten. Lehnt bis zu 1400 Asylanträge in der Minute ab", stand da geschrieben. Und: "Macht die Öfen wieder an". Mit letzterem Satz habe der Mann eindeutig einen Bezug zum Holocaust hergestellt. Daraufhin wurde er angezeigt, erzählt der Staatsanwalt, und zu einer Strafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Außerdem bekam er eine sogenannte Geldauflage – er musste 1500 Euro an Amnesty International zahlen.
Die Mindeststrafe bei Volksverhetzung beträgt grundsätzlich drei Monate. Aber auch fünf Jahre Freiheitsstrafe sind möglich. Bei Ersttätern werden die Strafen aber oft nur auf Bewährung ausgesetzt.
Unterschiedliches Strafmaß bei Bedrohung oder Verletzung des Persönlichkeitsrechtes
Für Beleidigungen wie etwa "Arschloch" wird meist eine Geldstrafe verhängt, wenn der Vorfall vor Gericht landet, erklärt Nico Rau. Wer eine andere Person bedroht, muss mit einer höheren Straße rechnen. Eine Aussage wie "Ich stech' dich ab!" kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden. Bei öffentlichen Aufforderungen zu Straftaten können sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafen verhängt werden, wenn es zu einer Verurteilung kommt.
"Wenn User andere als alter Nazi, Scheißbulle oder Arschloch bezeichnen, gibt es meist eine Geldstrafe, wenn er vor Gericht landet."
Möglicherweise geht der Verfasser eines Kommentars wie: "Angela Merkel gehört aufgehängt" ungestraft aus, denn die Strafverfolger müssen auch den Kontext berücksichtigen und ermessen, ob ein Posting wirklich dazu führen kann, dass andere Menschen dadurch zu einer Gewalttat angestachelt werden. Manchmal wollen Social-Media-Nutzer nur ihren Frust kundtun und schießen dabei über das Ziel hinaus. Auch das berücksichtigen Staatsanwälte, die sich mit diesen Fällen befassen.
"Sobald ich ein Posting sehe, was mich unmittelbar betrifft, mich beleidigt, mich bedroht oder aber auch gegen ganze Volksgruppen hetzt oder ähnliches, dann kann ich das anzeigen."
Wichtig: Screenshots machen
Wenn wir einen Kommentar sehen, der beleidigt, Persönlichkeitsrechte verletzt oder volksverhetzende Meinungen verbreitet, sollten wir auf alle Fälle ein Screenshot von diesem Posting und dem Nutzerprofil der Person machen, die den Post veröffentlicht hat, erklärt unser Reporter. Im Anschluss können wir dann bei der nächsten Polizeidienststelle eine Anzeige erstatten. In vielen Bundesländern gibt es aber auch die Möglichkeit, den Screenshot online bei einer sogenannten Internetwache einzureichen. Sobald wir das getan haben, gehen die Ermittlungsbehörden dem Fall nach.