Hatespeech und Social MediaTrotz weniger Hasskriminalität viele Anfragen bei Hate Aid
12 Prozent der Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer sind persönlich von Hassrede im Netz betroffen – 2021 waren es 16 Prozent. Für die tägliche Arbeit der Organisation Hate Aid, die Opfer berät, ändert das nichts.
Eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes verzeichnet, dass Hatespeech in sozialen Medien seit 2021 um 4 Prozent abgenommen hat. Ein Ergebnis, das Josephine Ballon freut, denn als Mitarbeiterin der gemeinnützigen Organisation Hate Aid berät die Juristin Opfer von Hatespeech.
Allerdings ändert das für ihre tägliche Arbeit nichts, denn aus ihrer Sicht hat der Strom der Anfragen von Hatespeech-Opfern bisher nicht nachgelassen.
"Ich kann das aus unserem Alltag in der Betroffenenberatung leider nicht bestätigen. Bei uns ist der Strom der Anfragen ungebrochen. Wir sehen da keinen Rückgang bisher."
In den vergangenen vier Jahren haben die Mitarbeitenden der Organisation "Hate Aid" rund 4000 Menschen beraten. Wie viele Menschen pro Tag Hilfe suchen, sei sehr unterschiedlich. Seit Beginn der Pandemie habe die Organisation bei der Beratung wöchentlich eigene Rekorde gebrochen, sagt Josephine Ballon. Ein Erfahrungswert, der während der Pandemie eine Zunahme von Hatespeech vermuten lässt.
Andere Kommunikation im Netz
Vor allem Menschen, die in den sozialen Medien aktiv sind und sich zu bestimmten Themen äußern, erfahren Hatespeech-Attacken, sagt Josephine Ballon. Die Bandbreite der Themen, die Hass im Netz hevorrufen, sei vielfältiger geworden. Vor ein paar Jahren wurden eher Menschen angegriffen, die sich zu Migration und Geflüchteten äußerten.
Inzwischen richten sich Angriffe auch gegen Menschen, die sich zum Beispiel für die Rechte von Frauen, Umwelt- und Klimaschutz einsetzten oder journalistisch aktiv seien, so Josephine Ballon.
Aber auch Influencerinnen, die sich in den sozialen Medien in der Regel nicht politisch äußern, wenden sich an ihre Organisation, sagt die Opferberaterin. Sie suchen Hilfe, weil sie sexistisch angegriffen oder ihnen gar mit einer Vergewaltigung gedroht werde.
Das führt Josephine Ballon darauf zurück, dass es in bestimmten Kreisen Frauen, die sich selbstbewusst in ihren Social-Media-Kanälen äußern, abgelehnt werden.
"Aktuell sehen wir, dass es ganz viele verschiedene Menschen trifft: Menschen, die sich für Feminismus eingesetzt haben, die politisch oder journalistisch aktiv sind oder sich für den Umwelt- oder Klimaschutz stark gemacht haben."
Was Opfer von Hatespeech tun können
Manche Opfer hätten sich bereits an von Hatespeech gewöhnt und glaubten daher, dass die verbalen Attacken normal seien. Josephine Ballon betont aber, dass es weiterhin wichtig sei, dagegen vorzugehen. Sie rät
- Diskriminierung und Drohungen im Netz nicht hinnehmen
- Sich selbst Hilfe suchen – entweder im eigenen Umfeld oder bei einer Beratungsstelle
- Eigene Daten schützen
- Diskriminierende oder beleidigende Inhalte melden
- Beweise sichern, zum Beispiel mit Screenshots
Josephine Ballon kritisiert, dass die Betreiber von Social-Media-Plattformen weiterhin oft nicht adäquat reagieren, wenn Hatespeech gemeldet werde. Oft tun sie das eher willkürlich, nach ihren eigenen Regeln, die sich immer wieder ändern und höchst intransparent angewendet werden, sagt die Opferberaterin.
"Für Betroffene bietet die Meldung bei den Plattformen keine Verlässlichkeit oder Sicherheit, dass dann etwas passiert, selbst dann, wenn es sich um eindeutig strafbare Inhalte handelt."