Sonderdezernat "Hate Speech"NRW: 80 Verfahren wegen Hasspostings
Das Sonderdezernat "Hate Speech" in Nordrhein-Westfalen zieht Bilanz: In den ersten eineinhalb Jahren seit Gründung wurden 80 Verfahren auf den Weg gebracht.
Bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen (NRW) gibt es in der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime ein Sonderdezernat "Hate Speech". Dort werden Anzeigen bearbeitet, die im Zusammenhang mit Hasskommentaren in sozialen Netzwerken oder auch Hassmails stehen. Seit Anfang 2018 gibt es dieses Sonderdezernat. Jetzt, eineinhalb Jahre später, ziehen die Ermittler des Sonderdezernats Bilanz: In 80 Fällen waren die Äußerungen strafrechtlich relevant und haben dazu geführt, dass ein Verfahren eingeleitet wurde.
Die Anzeigen stammen überwiegend aus der Initiative "Verfolgen statt nur löschen" der Landesanstalt für Medien NRW in Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft NRW sowie einigen Medienunternehmen wie zum Beispiel dem WDR, RTL und diversen Zeitungen. Im Rahmen der Initiative sind zwei Staatsanwälte ausschließlich damit beschäftigt, sich um die eingegangenen Anzeigen zu kümmern. Ähnliche Initiativen gibt es in Hessen und Bayern.
"Ich würde ganz spontan mal sagen, 80 Verfahren - das ist nicht mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein."
So richtig viel ist das nicht, gemessen an dem, was im Netz an durchaus strafrechtlich relevanten Äußerungen auftaucht. Das liegt aber auch daran, dass nicht genügend Personal vorhanden ist. Ein Thema, das unter anderem beim Dialog für Cybersicherheit in Bonn Ende Juni Teil einer Podiumsdiskussion war. Dort sagte die Bonner Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa, dass mehr Personal geschult und spezialisiert werde, um die Strafverfolgung von Hasskriminalität im Netz zu verbessern. Zum Beispiel wenn es darum geht, die Täter und Täterinnen überhaupt erst mal zu identifizieren.
Hasskommentare sind aber nur ein Teil dessen, was die Polizei im Rahmen von Cyberkriminalität beschäftigt. Und neben der Cyberkriminalität bleibt immer noch die analoge Kriminalität. Und bereits da fehlt es Polizei und Justiz an ausreichend Personal. Um aber dem Eindruck entgegenzuwirken, bei Hetze, Beleidigung und Bedrohung im Netz handele es sich um Kavaliersdelikte, hat die Polizei in verschiedenen Bundesländern eben Sonderdezernate eingerichtet. Die angestrebten Verfahren haben also durchaus Signalwirkung.
Es fehlt an Unrechtsbewusstsein
Denn was die Staatsanwälte bei ihren Verfahren auch feststellen: Es fehlt schlicht an Unrechtsbewusstsein. So sagt Christoph Hebbeker, einer der beiden Staatsanwälte des Sonderdezernats in NRW, in einem Interview mit der SZ, dass die Ermittlungen relativ häufig zum Ziel kämen und dass Beschuldigte extrem erstaunt seien, wenn die Polizei vor der Tür stehe.
Einer der Knackpunkte der Strafverfolgung: der schmale Grad zwischen Meinungsfreiheit und strafrechtlich relevanten Äußerungen. Die Staatsanwaltschaft prüft alle eingegangenen Anzeigen sorgfältig und wird nur in ganz eindeutigen Fällen tätig, zum Beispiel, wenn zu Gewalt gegen eine konkrete Person aufgerufen wird, die auch tatsächlich von anderen konkret als Handlungsaufforderung verstanden werden kann.