ArmutJournalistin über Hartz-IV: Erhöhung um 14 Euro ist willkürlich
Ab dem 1.1.2021 wird der Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende um 14 Euro angehoben. Wirklich mehr Geld haben arme Menschen dadurch nicht, sagt Autorin Anna Mayr.
Hartz IV soll ein würdevolles Leben ermöglichen. Die Bundesregierung prüft deshalb regelmäßig den Hartz-IV-Satz. Ab Januar 2021 soll der Satz für Alleinstehende wieder um 14 Euro steigen auf 446 Euro monatlich. Das muss zum Leben reichen. Anna Mayr ist Journalistin bei der Zeit und Autorin des Buchs "Die Elenden". Sie ist mit langzeitarbeitslosen Eltern in Armut aufgewachsen.
Gerade diese leichten Erhöhungen von Sozialfürsorge empfindet die Journalistin allerdings sogar als leicht schädlich. Weil sie Sozialneid in der Gesellschaft schüren könnten. Denn es entsteht das Gefühl, dass die Armen immer mehr bekommen, obwohl die Erhöhung letztlich kaum mehr ist als ein Inflationsausgleich. Die Armen bleiben trotzdem arm, sagt Anna Mayr. Auf der anderen Seite sieht sie auch die Gefahr, dass die Gesellschaft durch solche Erhöhungen befriedigt wird, weil sie den Eindruck vermitteln, für die Armen sei gesorgt.
"14 Euro sind bestenfalls ein Inflationsausgleich. Die Sätze sind total willkürlich berechnet."
Grundlage für den Hartz-IV-Regelsatz sind die Bedarfe der ärmsten Haushalte in Deutschland. So wird berechnet, was die Allerärmsten mindestens brauchen sollten. Das sei insofern schwierig, weil es sehr viele Haushalte gebe, die in verdeckter Armut leben, sagt Anna Mayr. Das heißt Haushalte, in denen Menschen zwar arbeiten gehen, aber trotzdem zu wenig zum Leben haben.
Bedingungslose Grundsicherung besser als Hartz IV
Dabei sei es besser, grundsätzlich zu berechnen, was ein Mensch zum Leben braucht. Stattdessen werden willkürlich Positionen gestrichen und hinzugefügt bei der aktuellen Berechnung. Zum Beispiel die Position für einen Weihnachtsbaum. Die ist manchmal im Satz drin, manchmal nicht. Und das ändert sich immer wieder. Mal wird der Satz so berechnet, dass Hartz-IV-Empfangende ein Auto brauchen, dann wieder so, dass sie kein Auto brauchen.
Besonders deutlich wird das bei der Berechnung der Regelsätze für Kinder, sagt Anna Mayr. In der jüngsten Erhöhung wurde der Satz für Kinder von 14-17 Jahren um 55 Euro erhöht, also deutlich stärker angehoben als bei den alleinstehenden Erwachsenen. Dabei war der Satz für ältere Kinder bislang der deutlich geringste im Verhältnis zum Alter. Und er wurde auch bei der Einführung von Hartz IV deutlich gedrückt mit der Begründung, er wäre zu hoch angesetzt gewesen, so die Journalistin.
"Vor 10-15 Jahren war diese Altersgruppe egal, jetzt ist sie wichtiger. Es ist am Ende nicht an irgendwas richtig festzumachen."
Als Lösung schlägt Anna Mayr eine bedingungslose Grundsicherung vor. Die sollte sich nach dem Steuerfreibetrag richten, also dem Betrag, den alle verdienen dürfen, ohne dass davon Steuern gezahlt werden müssen. Weil das der Betrag ist, den ein Mensch mindestens zum Leben braucht. Aktuell sind das 9400 Euro im Jahr. Zuzüglich einem möglichen Kinderfreibetrag. Dieses Geld könne man Menschen einfach auszahlen. Ein bisschen, wie es auch beim Bafög gemacht wird. Wenn zeitgleich der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden würde, wäre das auch gerecht, so die Journalistin.