Terrorismusexperte zu rassistischem AnschlagHanau: "Tat war im Vorfeld nicht zu erkennen"
Hätten die Behörden Tobias R. im Visier haben müssen? Haben sie in der Tatnacht angemessen reagiert? Der Innenausschuss des Bundestags kam eine Woche nach dem rassistischen Anschlag in Hanau zusammen, um die Details der Tat und offene Fragen zu besprechen. ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg sagt, nach jetzigem Ermittlungsstand ist die Tat im Vorfeld nicht erkennbar gewesen.
Neun Menschen hat Tobias R. vergangene Woche erschossen – aus einer rassistischen Gesinnung heraus. Generalbundesanwalt Peter Frank informierte nun die Mitglieder des Innenausschusses über den Ermittlungsstand. Der Ablauf wurde sehr genau rekonstruiert, wie ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg berichtet.
In zwölf Minuten starben neun Menschen
Nur zwölf Minuten hat das Morden gedauert. Um 21:58 Uhr fielen die ersten Schüsse. Um 22:10 Uhr floh Tobias R. in seine Wohnung, wo er seine Mutter und sich selbst erschoss.
"Es ist in der Tat nicht ganz erklärlich, wieso es so lange gedauert hat, bis die Polizei dann die Wohnung gefunden und gestürmt hat."
Warum die Polizei mit dem Zugriff so lange wartete, ist unklar, sagt Michael Götschenberg. Denn erst gegen etwa drei Uhr morgens stürmte ein Einsatz-Sonderkommando die Wohnung.
Täter war nicht als Rassist bekannt
Eine weitere Frage, die im Raum stand: Hätten die Behörden die Tat verhindern können? Hätte ihnen der Täter im Vorfeld auffallen müssen? Michael Götschenberg meint, da sei den Behörden aus seiner Sicht kein Vorwurf zu machen. Denn im Netz sei Tobias R. vor allem durch die Veröffentlichung kruder Verschwörungstheorien sichtbar gewesen.
"Letztlich hat Tobias R. im Internet vor allem eines gemacht: Er hat Verschwörungstheorien der wirresten Art verbreitet."
Das sei strafrechtlich nicht relevant, so der Terrorismusexperte. Auch bei den Strafanzeigen, die Tobias R. stellte, sei es immer um diese Verschörungstheorien gegangen, nicht aber um seine rechtsextreme und rassistische Gesinnung. Er glaubte zum Beispiel, dass eine Geheimdienstorganisation seine Gedanken fernsteuere und die Menschen ausspioniere. Konkrete Hinweise auf die Tat habe es im Vorhinein nicht gegeben.
"Für mich ist – Stand jetzt – die Tat im Vorfeld nicht zu erkennen gewesen."
Insgesamt, meint Michael Götschenberg, haben die Strafbehörden die rechtsextreme Szene sehr wohl im Blick, das Personal werde aufgestockt. Aber: Auf dem Radar erscheinen nur diejenigen, die in der Szene verkehren und miteinander kommunizieren. Tobias R. fällt nach jetzigem Ermittlungsstand nicht in diese Kategorie.