Nach KokainfundPistole vs. Maschinengewehr: Hamburg im Fokus der Drogenbanden
Antwerpen, Rotterdam und gleich dahinter Hamburg: Die deutsche Hafenstadt gerät immer stärker in den Fokus von Drogenbanden. Schwer bewaffnete Kriminelle versuchen, sich beschlagnahmtes Kokain zurückzuholen. Deutsche Zollfahnder sind den Angriffen relativ hilflos ausgesetzt.
Europa ist einer der lukrativsten Drogenmärkte der Welt – 2023 lag der geschätzte Umsatz bei rund 31 Milliarden Euro. Daher kommen in den Häfen in den Niederlanden, Belgien und auch in Deutschland immer mehr Drogen an, vor allem das sehr profitable Kokain.
In den letzten Jahren besonders stark vom Kokainhandel betroffen ist der Hamburger Hafen. Seitdem in den Häfen von Rotterdam und Antwerpen immer mehr Vorkehrungen getroffen werden, um den Drogenhandel über Schiffscontainer einzuschränken, hinkt Hamburg hinterher, weiß Benedikt Strunz. Er ist Teamleiter für internationale Recherchen beim NDR und befasst sich intensiv mit Drogenkriminalität.
"Mittlerweile sind wir bei Verdoppelungen von Kokainfunden von Jahr zu Jahr, wir sind inzwischen bei 43 Tonnen Kokain im letzten Jahr."
In diesem Jahr gelang ein Rekordfund mit 24,5 Tonnen Kokain, sagt Benedikt Strunz. Dass jetzt so große Mengen verschifft werden, liege daran, dass sich die Täter sicher seien, dass in Hamburg die meisten Drogen-Container durchgewunken werden.
Zollbeamte in großer Gefahr
Diese großen Mengen an Kokain haben dann einen sogenannten Straßenverkaufswert, der mehrere Milliarden Euro umfasst. Gelagert werden die vom Zoll beschlagnahmten Drogen in Depots. Dort bleiben die Funde zumeist so lange, bis ein Urteil im Verfahren um die Fracht gefallen ist. Erst dann werden sie vernichtet. Das ist besonders gefährlich für die Zollbeamten, die das Depot bewachen.
Aktuell hat die belgische Polizei die deutschen Behörden davon in Kenntnis gesetzt, dass eine französische Bande von Kriminellen einen Angriff auf ein Drogendepot plant. Bei so einem Überfall wären die Zollbeamten den Kriminellen fast komplett ausgeliefert, sagt Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei.
"Wir haben ein Finanzministerium, was den Zoll ausstattet wie eine Mäusepolizei."
Die Verbrecher*innen, die im internationalen Drogengeschäft agieren, gehen nicht nur äußerst brutal vor, sie sind auch noch gut ausgestattet, weiß Benedikt Strunz. Sie haben Maschinengewehre, die mehr als 100 Meter weit schießen können. Die Zollbeamten können mit ihren Pistolen nur in 25 Meter Entfernung treffen. Das größte Problem sei jedoch die schlechte Schutzausrüstung, da sind sich Benedikt Strunz und Frank Buckenhofer einig.
"Wir haben keine Schusswesten, die einem solchen Einsatz standhalten."
Die schusssicheren Westen, die beim Zoll in den meisten Fällen genutzt werden, sind unzureichend, sagt der Polizist. Maschinengewehre könnten durch diese Westen leicht hindurchschießen. Auch an Helmen würde es mangeln. Das Finanzministerium müsste dringend mehr Geld in den Schutz der Zollbeamten investieren, um die Lage für sie weniger aussichtslos und damit auch sicherer zu machen.
Drogenkriminalität in Hamburg – Folgen und Lösungsansätze
Dass in Hamburg wesentlich mehr Kokain umgeschlagen wird als noch vor zehn Jahren, hat zur Folge, dass sich die Drogenbanden in Hamburg auch immer mehr untereinander bekriegen, erläutert Benedikt Strunz. In Hamburg gebe es deswegen jetzt auch tagsüber Morde, die Exekutionen gleichen, berichtet er.
"Man hat gute Chancen, ein deutsches Medellín zu verhindern, wenn man jetzt handelt."
Der Journalist Benedikt Strunz denkt aber auch, dass diese Entwicklung mit dem richtigen Vorgehen gestoppt werden kann.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Drogenkriminalität in den Fokus ihrer Arbeit gestellt. Inzwischen gibt es ein Hafensicherheitszentrum und mehr internationale Zusammenarbeit. Aber das reicht nicht aus, findet Benedikt Strunz. Seiner Meinung nach müsse der Hamburgerhafen von Grund auf umgekrempelt werden, um die Korruption zu stoppen. Außerdem müssten jungen Menschen, die Teil der organisierten Kriminalität werden, andere Perspektiven in Deutschland geboten werden.