Braunkohltagebau gegen UmweltaktivistenEntscheidung im Hambacher Forst
Umweltschützer gegen Braunkohltagebau: Wenige Wochen nach Ende der Weltklimakonferenz in Bonn wird ganz in der Nähe das Waldstück Hambacher Forst abgeholzt. Wir zeigen, wie Beteiligte den Tag erlebt haben.
Der Hambacher Forst ist das derzeit wohl berühmteste Stückchen Wald der Bundesrepublik. Denn das 85 Quadratkilometer große Gebiet zwischen Aachen und Köln liegt mitten im Rheinischen Braunkohlerevier. Nach dem jahrelangen Streit zwischen dem Energiekonzern RWE und Braunkohlegegnern und Umweltaktivisten hat nun das Verwaltungsgericht Köln entschieden: Die Bäume dürfen abgeholzt werden.
Mit der Entscheidung fallen die Bäume
"Momentan habe ich Angst", sagt Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Er ist Geschäftsführer des Verbandes in Nordrhein-Westfalen und kämpft für den Erhalt des Gebietes. Seine Angst gilt nicht nur dem Wald, sondern auch den Umwelt-Aktivisten, die Teile des Hambacher Forsts besetzt haben. Sie leben in Zelten und Baumhäusern und wollen sich gegen die Abholzung wehren. Auch heute gab es einzelne Auseinandersetzungen, die Polizei setzte Pfefferspray ein.
Streit um den Wald
Ein Knackpunkt im Streit um den Hambacher Forst war die Frage, wie schützenswert das Gebiet ist. Für Dirk Jansen ist der Fall klar: Seiner Meinung nach hätte es längst als Flora-und-Fauna-Habitat nach Brüssel gemeldet werden müssen.
"Es ist doch ein intaktes Ökosystem, das 12.000 Jahre hinter sich hat, das heißt, seit der Nacheiszeit gibt es dort Wald."
In seiner Entscheidung hat das Kölner Landgericht zwar die Bedeutung für den Naturschutz gewürdigt, dies reichte aber nicht, um die RWE-Abbaupläne zu kippen. Der Energiekonzern RWE argumentierte in der Auseinandersetzung beispielsweise, dass Teile des Waldes abgeholzt und wieder aufgeforstet worden seien. Guido Steffen, Pressesprecher bei RWE-Power, verweist zudem auf die Anstrengungen zur Renaturierung von Seiten des Konzerns. In wenigen Jahrzehnten stünde dort ein Jungwald mit hohem ökologischen Nutzen.
"Wir werden in dieser Rodungsperiode, die bis Ende Februar geht, circa 80 Hektar roden müssen."
Statt Aufforstung geht es so nun zunächst darum, die ersten Gebiete für den Tagebau freizumachen. Dies geschieht unter einem großen Aufgebot der Polizei. Auch die Umweltaktivisten, Baumbesetzer sowie lokale Protestgruppen, zeigten am ersten Tag der neuen Rodungen Präsenz.
Der Tag aus Sicht der Aktivisten
Peter* ist Pressevertreter der Baumbesetzer vom Hambacher Forst und beschreibt, dass der Tag der Aktivisten bereits um drei Uhr begann, um die Rodung zu begleiten. "Schon um sechs wurden die ersten Rodungsfahrzeuge gesichtet, um sieben der erste Helikopter," sagt Peter. Er schätzt, dass etwa 100 Aktivisten sich zurzeit im Forst aufhalten, einige davon seien extra angereist, andere lebten permanent im Wald.
"Heute wurden keine Leute aus ihren Baumhäusern geholt, da in einem Teil gefällt wurde, wo keine Baumhäuser stehen. Wir vermuten, dass es im Laufe der Woche noch dazu kommen wird, dass die Polizei mit Hebebühnen und anderen Kletterteams eingreift."
Aktivist Peter* begreift den Protest im Kern als absolut friedlich, es gebe lediglich einige wenige militante Aktivisten. In den nächsten Wochen wollen die Umweltschützer gezielt die Abholzung mindestens verzögern, so der Sprecher der Aktivisten. Ein Ziel: "Die Zerstörung des Waldes taktisch mit unseren Körpern und Barrikaden aufhalten."
Auf der Suche nach Deeskalation
Die Situation bleibt also angespannt. Für Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland habe die letzte Gerichtsentscheidung und der Versuch eines Vergleichs nicht zur Deeskalation in der aufgeheizten Situation beigetragen. RWE-Sprecher Guido Steffen betrachtet die Situation indessen pragmatisch.
"Im Vordergrund steht bei vielen Menschen natürlich die Entrüstung darüber, dass da Wald weichen muss. So bedauerlich das ist, unter diesem Wald liegt Braunkohle, die für Deutschlands Energieversorgung gebraucht wird."
*Name von der Redaktion geändert.
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