Hamas-AngriffeÜberfallene Kibbuzim: So ist die Lage vor Ort

Kibbuzim gehörten zu den Hauptzielen der Hamas-Angriffe am 7. Oktober. Dabei sind ihre Bewohner*innen oft starke Fürsprecher des Friedensprozesses zwischen Palästinensern und Israelis. Armin Himmelrath hat zwei der überfallenen Kibbuzim in Israel besucht.

Hamas-Terroristen haben bei ihrem Angriff aus Israel unter anderem den Kibbuz Kfar Aza im Süden Israels angegriffen und dort ein Massaker angerichtet. Deutschlandfunk-Nova-Reporter Armin Himmelrath war vor Ort, um sich ein Bild der Lage zu machen. Er fand viel Zerstörung vor: zertrümmerte Häuser, Einschusslöcher und Markierungen an Orten, an denen Leichen gefunden wurden.

"Man hat Plakate, in denen darauf hingewiesen wird: Hier wohnte der und der, hier wohnte die und die, die entführt wurden. Es stürmt wirklich auf einen ein – und es ist schrecklich."
Armin Himmelrath, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Bei einem Kibbuz handelt es sich um eine kleine Dorfgemeinschaft mit etwa 400 bis 1.000 Einwohnenden. Die Häuser dort sind in der Regel recht klein und einfach eingerichtet. Das Wort Kibbuz bedeutet im Hebräischen so viel wie "Versammlung".

Verletzliche Gemeinschaftseinrichtung

Kibbuzim haben den Anspruch, sich selbst landwirtschaftlich zu versorgen. Unser Reporter beschreibt das Ganze als eine Art große Gemeinschaftseinrichtung.

"Es ist ein bisschen kommunenmäßig. Man arbeitet gemeinsam, entscheidet gemeinsam und lebt einfach gemeinsam."
Armin Himmelrath, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Inzwischen gibt es neben der landwirtschaftlichen Versorgung aber auch Leute, die woanders arbeiten – in Fabriken und Büros etwa, erklärt unser Reporter. Es gibt aber ein Gemeinschaftseinkommen für alle Bewohnerinnen und Bewohner des Kibbuz – manche geben einen Teil ihres (externen) Einkommens ab und wohnen dafür weiterhin dort. Einige Kibbuzims haben auch eigene Fabriken.

"Ich war mal in einem Kibbuz, die haben Federbetten hergestellt. Ein anderer hatte sich auf Melonenzucht spezialisiert und die hatten dafür riesige Felder."
Armin Himmelrath, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Früher waren Kibbuzim für Israel so eine Art Stützpfeiler dessen, was später der Staat wurde, sagt Armin Himmelroth. Der erste Kibbuz ist 1910 gegründet worden. Damals sind jüdische Siedlerinnen und Siedler nach Palästina gekommen und haben gesagt: Wir müssen uns zusammentun, um wehrhaft zu sein – und um auch ökonomisch überleben zu können. Zur Gründung Israels 1948 waren die Kibbuzim dann so etwas wie Grundpfeiler des jungen Staates. Etwa 260 bis 270 Kibbuzim gibt es heute noch. Viele sind im Süden angesiedelt, in der Nähe des Gazastreifens.

Rolle der Kibbuzim im Nahostkonflikt

"Gerade die Kibbuzim rund um den Gazastreifen gelten als links-politisch", erklärt Armin Himmelroth. Sie seien diejenigen, die sehr stark auf Austausch und einen Friedensprozess gedrängt haben. Das heißt: Dort leben eigentlich Leute, die mit den Palästinenser*innen zusammengearbeitet haben. Nach den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober sei es daher besonders schwierig für diese Menschen, mit der ganzen Situation umzugehen, meint unser Reporter.

"Psychisch sind sie [die Menschen in den überfallenen Kibbuzim] traumatisiert. Ihre Heimat ist zerstört. [...] Es ist eine große Verunsicherung."
Armin Himmelrath, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Unser Reporter hat auch mit einigen Betroffenen der überfallenen Kibbuzim sprechen können. Viele haben ihm gegenüber geäußert, dass sie weiterhin auf Verständigung und einen Friedensprozess setzen, berichtet Armin Himmelrath – trotz des aktuellen Terrors. Allerdings hätten sie es sehr schwer, in der israelischen Öffentlichkeit gehört zu werden – weil diese inzwischen sehr weit nach rechts gerückt sei.