FloridaErich Ritter betreibt eine "Hai-Schule"
Haie wollen Menschen nicht absichtlich verletzen und schon gar nicht fressen, sagt der Hai-Experte Erich Ritter. Deshalb hält er es für falsch, von Haiattacken zu sprechen. Bei den meisten Verletzungen durch Haie handele es sich um Gaumenbisse, mit denen das Raubtier auskundschaften wolle, wen oder was es da vor sich hat. Sein Hai-Wissen vermittelt er in der "Sharkschool" in Florida.
Die Faszination für Haie hat den Biologen Erich Ritter schon früh gepackt. Mit elf Jahren sagte er schon, dass er gerne "Hai-Doktor" werden möchte, obwohl er am Fuße der Alpen und damit weder in der Nähe des Meeres, geschweige denn von Haien aufgewachsen ist. Was diese Jobbeschreibung impliziert wusste er damals wohl selbst nicht so genau. Heute ist Erich Ritter Biologe und hat sich auf die Beziehung zwischen Hai und Mensch spezialisiert.
"Es ist nie die Absicht eines Haies, uns zu verletzen, aber sie brauchen ihre Zähne, um uns festzuhalten."
In der "Sharkschool", die er in der US-amerikanischen Stadt Pensacola im Bundesstaat Florida betreibt, gibt er sein Wissen an andere Menschen weiter. In seinen Kursen erklärt er, wie wir Haien im Wasser begegnen sollten und wie ihre Körpersprache zu lesen ist. In seinen Kursen unterrichtet der Hai-Experte Privatpersonen, hat aber auch schon Navy-Kampfschwimmer im Umgang mit Haien geschult.
Gegen das negative Bild von Haien
Der Verhaltensökologe findet, dass wir ein zu negatives Bild von Haien haben. Viele von uns halten sie für gefährliche Killermaschinen. Wenn es nach Erich Ritter geht, ist es falsch von Haiattacken zu sprechen, weil die Tiere nicht wahllos attackieren und den Menschen nicht absichtlich verletzen oder fressen wollen. In der Regel gibt es 60 bis 80 Haiunfälle pro Jahr. Der Hai-Experte wünscht sich, dass jeder Mensch Haie mal mit seinen Augen sehen könnte.
Abgesehen davon, dass Haie die am häufigsten vorkommenden Raubtiere über 50 Kilogramm sind, sind sie für uns auch gleichzeitig die harmlosesten, sagt der Biologe. Außerdem sind sie extrem wichtig für das Ökosystem. Ihr Aussterben könnte zu einem Kaskadeneffekt im Meer führen, dass den Temperaturanstieg durch den Klimawandel beschleunige.
Was tun, wenn ein Hai sich nähert
Bei den meisten Bissen handelt es sich um sogenannte Gaumenbisse, die Erich Ritter eher als harmlos einstuft. Der Hai nutzt diese Bisse, um auszukundschaften, wer oder was sich in seiner direkten Umgebung befindet. Damit Begegnungen mit Haien nicht lebensgefährlich werden, hat Erich Ritter einige Regeln aufgestellt, die ein Taucher beachten sollte:
- Vorwärtsbewegung stoppen, Blickkontakt halten, vertikale Position einnehmen, Beine nicht bewegen, Arme nutzen, um sich zum Hai hin auszurichten.
- Kommt der Hai näher, so dass man ihn mit ausgestrecktem Arm berühren kann, berührt man ihn sachte an der Schnauze und schiebt ihn ruhig vorbei.
- Kommt ein Hai auf "Kollisionskurs" auf uns zu, dann drückt ihn an euch vorbei.
- Sollte der Hai weiterhin interessiert sein, ihr wollt aber die Begegnung beenden, dann schwimmt frontal auf den Hai zu.
- Bleibt der Hai weiterhin auf Körperkontakt, dann drückt Wasser gegen seine Kiemen oder berührt die Kiemen. Wenn Haie sich gegenseitig angreifen, dann bevorzugen sie die Kiemenregion, deswegen verstehen sie dieses Signal.
- Jetzt könnt ihr euch kontrolliert zurückziehen und das Wasser verlassen.
"Das Wichtigste ist, dass man aufhört, sich zu bewegen. Und sich auch nicht zurückziehen – das ist ganz wichtig."
Vor einigen Jahren wurde auch Erich Ritter bei einer Fernsehaufzeichnung von einem Hai gebissen. Das hätte ihn fast das Leben gekostet, weil er beinahe verblutet wäre. Letztendlich hat es ihn eine Wade gekostet. Es haben viele Faktoren eine Rolle dabei gespielt, dass es zu dem fast tödlichen Unfall kam, sagt er heute.
Damals hatte Erich Ritter einen Assistenten dabei, der ihn informieren sollte, sobald ein Hai näher als zwei Meter an ihn herankommt. Denn dann gilt es sich dem Hai frontal zuzuwenden und Blickkontakt aufzunehmen. Und wenn nötig, einige der Regeln anzuwenden, die Erich Ritter im Umgang mit Haien aufgestellt hat. Weil der Hai-Experte den herannahenden Hai aber nicht bemerkt hatte und auch nicht gewarnt wurde, habe er nicht auf ihn reagieren können und wurde daraufhin gebissen.
Sponsoren und Auftraggeber verunsichert
Die Verletzungen waren so unglücklich, dass der Hai-Experte viel Blut verloren hatte, bis er im Krankenhaus ankam. Zunächst war nicht klar, ob er überleben würde und ob sein Bein amputiert werden müsste.
Daraufhin war Erich Ritters Reputation als Hai-Experte etwas angeschlagen, aber schon nach drei Monaten ging er wieder mit Haien ins Wasser und konnte seine Sponsoren und Auftraggeber davon überzeugen, dass er nicht zu unrecht als "Haiflüsterer" gilt und sein Handwerk versteht.
Nach Unfällen mit Haien wird Erich Ritter gelegentlich damit beauftragt, den Unfall zu rekonstruieren und herauszufinden, wieso es dazu gekommen ist.
"Ich gehe ab und zu am Abend noch mit dem Boot kurz raus, schnorchle ein bisschen mit zehn, fünfzehn Haien und hänge ein bisschen herum."
Was für unsereins das Sofa ist, ist für Erich Ritter das Tauchen mit Haien. Am Ende eines langen Tages freut er sich darauf, den Neoprenanzug anzuziehen, mit dem Boot raus zu fahren, um dann noch mit einer Gruppe von Haien zu schnorcheln und einfach abzuhängen. Dabei fühlt er sich in der Gegenwart von Haien oft besser aufgehoben als in der Gesellschaft von Menschen. Er verbringt so viel Zeit mit ihnen, dass er die Haie als seine Familie bezeichnet.
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