Stay at homeLockdown verstärkt Faktoren von häuslicher Gewalt
Es wurde schon länger vermutet, dass die strengen Kontaktbestimmungen der Corona-Pandemie zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt führen könnten. Eine Studie hat jetzt erstmals Erfahrungen aus der ersten Zeit der Pandemie gesammelt – und die Vermutungen zum Teil bestätigt.
In der Studie der TU München haben in einer repräsentativen Online-Befragung 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren über ihre Erfahrungen zu häuslicher Gewalt Auskunft gegeben. Gefragt wurde nur nach dem Zeitraum von Mitte März bis Anfang Mai, als der Zeit mit den strengsten Pandemie-Maßnahmen in Deutschland.
"Von den befragten Frauen gaben über drei Prozent an, dass sie in diesem Zeitraum von ihrem Partner vergewaltigt wurden."
In der Studie ließen sich verschiedene Formen von häuslicher Gewalt ausmachen. Am häufigsten kam es zu Gewalt an Kindern – in etwa sechs Prozent der Fälle. Mehr als drei Prozent der befragten Frauen gaben an, von ihrem Partner vergewaltigt worden zu sein, eine ähnlich hohe Prozentzahl hat andere körperliche Gewalt erfahren.
Keine vergleichbaren Zahlen vor der Krise
Dennoch lässt sich die Frage, ob häusliche Gewalt durch den Lockdown angestiegen ist, nicht ganz beantworten, so die Leiterin der Studie Janina Steinert. Denn: Für eine derartige Schlussfolgerung fehlen vergleichbare Zahlen. In der Studie wurden nur die Erfahrungen aus dem sehr kurzen Zeitraum der strengen Maßnahmen abgefragt – Studien aus vorherigen Zeiten fragten die Erfahrungen des letzten Jahres oder sogar der gesamten Lebensspanne ab.
Pandemie verstärkt gewisse Faktoren
In dieser Studie haben Janina Steinert und ihre Kolleginnen die spezifische Situation in den Haushalten während des Lockdowns untersucht und dabei nach Faktoren gesucht, die durch die Pandemie ausgelöst worden sein könnten. So zum Beispiel psychische Probleme durch die soziale Isolation. Das könnten Depressionen aber auch Angstzustände sein, erklärt Janina Steinert. Das Problem bei der Messung: Diese Probleme könnten auch schon vor der Pandemie bestanden haben.
Höhere Belastungen führen zu mehr häuslicher Gewalt
Frauen, die finanzielle Sorgen im Zusammenhang mit der Corona-Krise hatten und in strenger Quarantäne lebten, waren laut der Studie auch einem höheren Risiko ausgesetzt, Opfer häuslicher Gewalt zu werden. Außerdem stieg das Risiko von häuslicher Gewalt in Haushalten mit Kindern im Alter von null bis zehn Jahren. Das liegt womöglich an dem erhöhten Betreuungsaufwand durch geschlossene Kitas und Schulen, erklärt Janina Steinert. Viele Eltern seien einer Doppelbelastung ausgesetzt: Arbeit im Home-Office und gleichzeitig Kinderbetreuung.
"Wir kritisieren nicht die beschlossenen Maßnahmen. Wir empfehlen aber, sie mit einem zusätzlichen Hilfsangebot zu erweitern."
Janina Steinert betont, dass sie mit der veröffentlichten Studie die beschlossenen Maßnahmen nicht kritisieren will. Aber: Sie müssen erweitert werden. Etwa durch ein zusätzliches Angebot zur Notbetreuung von Kindern auch von Eltern in nicht systemrelevanten Berufen, wenn auch nur für ein paar Stunden am Tag, sagt sie. Außerdem sollte das Hilfsangebot für Frauen mit beeinträchtigter psychischer Gesundheit verbessert werden – in Form von Telefon-Beratungen oder Online-Therapien.