Grüne LobbyWelchen Einfluss die Klimaschutzbewegung hat

Grüne Themen scheinen sich in der Politik Stück für Stück durchzusetzen. Heißt das, es könnte bald eine "grüne Lobby" geben mit viel Einfluss? Eher nicht, finden zwei Politikwissenschaftler*innen. Dafür spielen grüne Themen bei den entscheidenden Gesprächen noch eine zu kleine Rolle.

Der Rodungsstopp im Hambacher Forst, die Klimaklagen der Deutschen Umwelthilfe gegen fünf Bundesländer, die globalen Klimastreik-Aktionen von Fridays For Future und zuletzt die Protestaktionen von Umweltaktivist*innen während der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in München zeigen, wie viel Raum die Klimaschutzbewegung mittlerweile einnimmt.

Manche kritisieren die Klimaschutzbewegung sogar als "grüne Lobby", deren Macht auf Politik und Wirtschaft unterschätzt werde. Es stellt sich daher die Frage, wie es tatsächlich um den Einfluss von Umweltverbänden und Klimaschutzaktivist*innen steht.

"Die Macht der grünen Lobby" ist noch nicht da

Die Politikwissenschaftlerin und Protestforscherin Katharina van Elten zum Beispiel sieht diese neue grüne Lobby noch nicht. Die Themen Umwelt und Klima haben in der Politik mittlerweile zwar mehr Gewicht bekommen. Eine Gleichberechtigung von Wirtschaftslobby und Umweltverbänden sieht sie gerade aber nicht.

"Umwelt und Klima haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Eine neue grüne Lobby – auf Augenhöhe mit der Wirtschaftslobby – ist mir aber noch nicht begegnet."
Katharina van Elten, Politikwissenschaftlerin und Protestforscherin, Ruhr-Universität Bochum

Wie die Machtverhältnisse derzeit tatsächlich aussehen, zeigt beispielsweise die enge Verbindung zwischen der deutschen Autoindustrie und der Politik. "Der Chef von VW hat einen direkten Draht ins Kanzleramt. Da sitzt die Landesregierung Niedersachsens in den Entscheidungsgremien – das ist eine Verflechtung auf ganz anderer Ebene", sagt sie.

Keine Gespräche auf Augenhöhe

Auch die sogenannten Autogipfel geben Aufschluss über die Gewichtung der Themen Umwelt und Klima auf der einen Seite und Wirtschaft auf der anderen Seite. Bei dem Treffen mit dem offiziellen Namen "Konzertierte Aktion Mobilität" lädt die Bundesregierung unter der Leitung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu regelmäßigen Gesprächen über die Zukunft der deutschen Autoindustrie ein.

Mit dabei sind Vertreter*innen der Bundesregierung, ausgewählte Ministerpräsident*innen und die Unternehmensverbände. Nicht eingeladen sind Umwelt- und Verbraucherschutzvereine, Verbände aus anderen Verkehrssektoren und Wissenschaftler*innen.

Die Angst vor Veränderung

Die grüne Lobby als unterschätzte Macht zu bezeichnen, geht auch für Politikwissenschaftler und Kommunikationsberater Moritz Kirchner zu weit. Es gibt zwar eine langsame Verschiebung der Machtverhältnisse, grüne Themen sind im Bundestag aber noch nicht gleichberechtigt vertreten, sagt er.

Kampagnen wie die der Lobbyorganisation Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM) gegen Annalena Baerbock im vergangenen Wahlkampf, die darauf ausgelegt war, die Grünen als "Partei der Verbote" zu labeln, würden aber zeigen, dass es seitens der Industrie eine gewisse Angst gebe – vor Veränderung und Regulierung, so Moritz Kirchner.

Zum Beispiel Regulierung wie durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das der Bundesregierung im April 2021 deutlich machte, wie verfassungswidrig das Klimaschutzgesetz war.

Einfluss durch Druck aus der Gesellschaft

Wenn wir politische Macht auf die öffentliche Meinung beziehen, steigt der Einfluss grüner Themen. Verstehen wir politische Macht als direkten Einfluss auf Politiker*innen, Entscheidungen und Gesetze, nimmt der grüne Einfluss wieder ab.

"Die Old-Economy hat tatsächlich Angst vor Regulierungen und Veränderungen."
Moritz Kirchner, Politikwissenschaftler, Psychologe und Kommunikationsberater

Von einer Machtübernahme grüner Politik zu sprechen, hält Katharina van Elten nicht. Das sei noch zu früh. Es bewege sich aber etwas in Deutschland. Bald könnten wir dann von einer grünen Wirtschaft sprechen, die Umwelt und Wirtschaft vereint, statt sie als Gegensätze zu behandeln, erklärt sie.