Klatsch und TratschGossip ist besser als sein Ruf
Comedy-Autor Miguel Robitzky findet mit Gossip mehr über sein Gegenüber heraus. Eine Kulturwissenschaftlerin erzählt, wie Tratsch zu seinem schlechten Ruf kam, und eine Wirtschaftswissenschaftlerin erklärt die wichtige soziale Rolle von Gossip.
Miguel Robitzky ist Comedy-Autor und Podcaster. Für ihn ist Gossip eine der Grundlagen seines Arbeitsalltags. Denn durch Klatsch und Tratsch kommt man bei der Arbeit oft überhaupt erst darauf, wie man ein bestimmtes Thema angehen will. Auch die soziale Funktion von Gossip ist für Miguel ziemlich wichtig. Sie schweißt seiner Ansicht nach ein Team oder einen Freundeskreis zusammen.
"Da kann man so ein bisschen die gemeinsamen Moralvorstellungen abklopfen und gucken, wie das Gegenüber zu gewissen Sachen steht."
Miguel hat sogar ein Gossip-Notizbuch. Hier notiert er sämtliche Promigerüchte, die er und seine Kollegen so hören. Auf die Idee hat ihn ein älterer Kollege gebracht.
Der Waschplatz als Gossip-Hotspot
Früher war Gossip Frauensache. Birgit Althans lehrt an der Kunstakademie in Düsseldorf und hat die Kulturgeschichte des Klatsch und Tratsch untersucht. Diese begann auf Waschplätzen. Daher auch der Spruch "Tratschen wie ein Waschweib".
"Waschplätze waren gefürchtet. Das war eine weibliche Öffentlichkeit. Da haben Männer deutlich Abstand gehalten."
Im Gegensatz zum Englischen hat das Deutsche keinen neutralen Begriff wie Gossip. Klatschen, tratschen, lästern … das alles ist eher negativ konnotiert. Deshalb nutzen manche den englischen Begriff. Und das, obwohl Klatsch in der deutschen Gesellschaft spätestens seit dem 16. Jahrhundert verankert ist.
Schon Martin Luther sprach vom "Waschkitzel der Frauen" und beschreibt, wie man sich genussvoll die Angelegenheiten anderer Leute durch den Mund laufen lässt und darauf herumkaut.
"Klatsch ist einfach immer da, seit es bürgerliche Öffentlichkeit, seit es sozusagen politische Öffentlichkeit gibt."
Laut Birgit Althans hat diese historische Entwicklung von den Waschzirkeln bis heute Auswirkungen. Gossip wird eher mit Frauen in Verbindung gebracht, obwohl es beide Geschlechter gleichermaßen tun.
Gossip muss nicht negativ sein
Gossip bedeutet erst einmal nur, dass wir in Abwesenheit einer Person über diese sprechen. Und das machen wir echt häufig, etwa zwei Drittel unserer Gespräche bestehen daraus. Bis auf die Wahrnehmung ist also erst einmal nichts Negatives am Gossip. Das sieht auch Myriam Bechtoldt so.
"Als soziale Wesen haben wir Regeln, die aber nirgendwo aufgeschrieben sind und um die kennenzulernen, um uns darüber zu informieren, brauchen wir den Austausch mit anderen."
Ein wesentliches Motiv für Gossip ist es also, Informationen einzuholen.
Und das machen wir gerne, denn als soziale Wesen sind wir sehr interessiert an anderen Menschen.
Manchmal ist Gossip pro-soziales Verhalten. Wir möchten eine Person zum Beispiel warnen oder schützen. Und manchmal wollen wir einfach mal Emotionen loswerden. Einen negativen Faktor gibt es allerdings auch.
"Natürlich könntest du auch das Motiv verfolgen, jemand anderem schaden zu wollen, indem du zum Beispiel Gerüchte über sie in die Welt setzt. Das gibt es natürlich auch."
Aber dieser letzte Grund wird bei Umfragen am seltensten genannt. Wir sind also gar nicht so fies, wie wir oft denken, sagt Myriam Bechtoldt.
Und die Wahrheit?
Was den Wahrheitsgehalt angeht, ist laut Myriam Bechtoldt an positivem Gossip seltener etwas dran als an negativem. Denn erstens haben wir viel weniger Probleme damit, jemandem positiv darzustellen, und zweitens können wir oft auch noch persönlich davon profitieren, wenn wir eine Person "wegloben".
Für Miguel ist es vor allem wichtig, beim Tratschen fair zu sein, keinen politisch inkorrekten Gossip zu verbreiten und zu vermeiden, dass es ins Mobbing kippt. Es geht eher darum, die kleinen Peinlichkeiten des Alltags hervorzuheben, die jedem passieren können.
Alles in allem ist Gossip gar nicht so schlecht wie sein Ruf. Ganz im Gegenteil, es gehört einfach zu uns Menschen dazu. Am Ende sind wir Herdentiere und brauchen ab und zu Klatsch und Tratsch, zum Einordnen von Informationen und um miteinander zu connecten.