Goldene ZwanzigerTräumen von einer Zeit der Euphorie nach Corona
Wie wird es nach der Coronavirus-Pandemie weitergehen? Einige Trendforschende prognostizieren eine ähnliche Zeit, wie die der Goldenen Zwanziger im vergangen Jahrhundert. Damals kam es zu einem Wirtschaftsboom, der die Menschen feiernd auf die Straßen brachte. Es gab aber auch viel Armut und Leid.
In Filmen und Serien werden die Goldenen Zwanziger des 20. Jahrhunderts oft mit viel Prunk und lauter Swingmusik dargestellt. In der Erinnerung vieler scheinen die Roaring Twenties eine Zeit gewesen zu sein, in der die Menschen hemmungslos in Cafés, Bars und Tanzklubs gefeiert haben.
Party in den Großstädten, Armut auf dem Land
Tatsächlich gab es sie genau so, sagt Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld. In den Städten haben die Menschen die Vorzüge der Hochkonjunkturperiode erleben können. Dagegen kam in den ländlichen Regionen von dem Prunk und Geldrausch kaum etwas an. Dort haben harte Arbeit und Armut den Alltag der Menschen bestimmt.
Zudem gab es auch die vielen Soldaten, traumatisiert vom Ersten Weltkrieg, die nicht in diese Bild der Ausgelassenheit passten. Das Deutschland der 1920er-Jahre war eine Zeit der Gegensätze.
"Man darf nicht vergessen, dass Deutschland eben nicht nur aus ein paar Großstädten bestand, sondern überwiegend ländlich war, mit vielen kleinen Städtchen und Dörfern, in denen diese Golden Twenties nicht angekommen sind."
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs hat die nächste Katastrophe begonnen: Ausbruch der Spanischen Grippe 1918. Laut der Weltgesundheitsorganisation sind 50 Millionen Menschen weltweit an der Spanischen Grippe gestorben – mehr Todesfälle als während des Ersten Weltkriegs. Manche Schätzungen gehen sogar von weit mehr Toten aus. Mit Ende der dritten Welle endete im Sommer 1919 die Pandemie.
Langsam haben sich die Länder wirtschaftlich von den beiden Katastrophen erholt, bis Mitte der Zwanzigerjahre die Wirtschaft regelrecht einen Boom erlebt hat. Auch der sogenannte Dawes-Plan, in dem die Reparationszahlungen Deutschlands an die Siegermächte vereinbart wurden, hat zum wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen.
Zeit der Spannungen
Nicht alle waren begeistert von Fortschritt und Neuerungen, die die 20er-Jahre mit sich gebracht haben. Einige haben der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nachgetrauert und sich nach dem Kaiserreich und seinem Militarismus zurück gesehnt, erklärt Matthias von Hellfeld.
Das hat zu Spannungen in der Gesellschaft geführt, die sich in Form von Schlägereien, Aufmärschen, Revolutionsgruppen und Putschversuchen entladen haben. Der Gegensatz zwischen Euphorie und Sehnsucht hat sich durch die gesamte Zeit von 1919 bis 1933 gezogen.
"Der Krieg war das Urtrauma der Menschen in der Weimarer Republik."
Die berauschenden Goldenen Zwanziger waren mit dem Börsenkrach 1929 von einem auf den anderen Tag vorbei. Der Zusammenbruch der Börse in den USA hat eine Kettenreaktion ausgelöst. Die Folge: die Weltwirtschaftskrise 1929 mit einer rasanten Inflation, explodierenden Preisen und eine rapid ansteigende Arbeitslosigkeit in Deutschland. Die große Verunsicherung und tiefe Armut, in die viele Menschen gestürzt wurden, hat Adolf Hitler geschickt für seine nationalssozialistischen Ziele genutzt.
Die Goldenen 2020er?
Heute, zu Beginn der 2020er, erleben wir ebenfalls eine Pandemie. Allerdings haben sich Medizin und Technik seit den 1920er-Jahren stark weiterentwickelt. Forschende sind in der Lage innerhalb kurzer Zeit Impfstoffe zu entwickeln, mit denen die Pandemie eingedämmt werden kann. Außerdem sind die Menschen heute in der Lage, sich umfassend über das Virus zu informieren. Das war den Menschen damals nicht möglich.
Matthias von Hellfeld geht davon aus, dass es nach der Pandemie zu einer Phase der Euphorie und Erleichterung kommen wird. Er glaubt aber nicht, dass in der Post-Pandemie-Zeit grundlegende Veränderungen vorangetrieben werden.
Entwicklungen wie Digitalisierung und das Hinterfragen der Globalisierung, die schon vor der Pandemie eingesetzt haben, würden nach der Corona-Zeit weiter verfestigt werden, vermutet er.
"Richtig grundsätzlich Neues hat es im Übrigen auch in der Weimarer Republik nicht gegeben und wird es auch heute nicht geben. Sondern wir werden vermutlich alte Strukturen, die es vorher schon gab, verfestigen."