GörlitzHier geht was
Görlitz ist die östlichste Stadt in Deutschland, gleich an der Grenze zu Polen. Es gibt eine malerische Innenstadt und Görlitz gilt als Rentnerparadies. Unser Reporter Julian Ignatowitsch war dort und hat festgestellt: So schlimm ist es gar nicht, in Görlitz geht was.
Raffael zum Beispiel hat es nach Görlitz gezogen. Er kommt aus Ravensburg und studiert Sozialarbeit. Der Student muss natürlich aufs Geld achten, aber hier kann er sich ein Zimmer in einer 200-Quadratmeter-Wohnung leisten - er wohnt dort in einer Dreier-WG und zahlt 150 Euro im Monat. Das Leben ist in Görlitz definitiv günstiger als in vielen anderen Studentenstädten.
"Also für mich lebt sich’s hier sehr gut, weil es halt günstig ist, hier zu leben."
Das Haus, in dem seine WG liegt, sieht von außen aus wie ein Palast mit seiner frisch renovierten Jugendstilfassade. Aber innen bröckelt der Putz von der Decke. Das Haus steht zur Hälfte leer, eine Heizung gibt es auch nicht. Das geht im Sommer, im Winter ist es hart.
Wenig Perspektive
Görlitz liegt in einer der ärmsten Regionen in Deutschland, jeder Fünfte ist arbeitslos. Seit der Wende ist die Einwohnerzahl von 80.000 auf 55.000 gesunken. Vor allem junge Menschen ziehen weg, weil sie keine Perspektive haben.
„Ich glaube, der Ansatzpunkt ist, etwas zu bieten, was die Leute hier hält und aus den bildungsfernen Strukturen rausreißt und ihnen einen Horizont eröffnet.“
Görlitz hat viel Schönheit zu bieten: Da ist zum Beispiel die mittelalterliche Altstadt, fünf Minuten von Raffaels Wohnung entfernt. Sie ist eine der schönsten in Europa – und das größte zusammenhängende Flächendenkmal in Deutschland: Top renovierte Häuser aus Renaissance, Spätgotik und Barock.
Ein anonymer Spender hat 11 Millionen Euro für die Restaurierung beigesteuert. Jetzt ist die Altstadt eine beliebte Filmkulisse bei Hollywoodregisseuren. Wes Andersons hat hier zum Beispiel "Grand Budapest Hotel" in einem verlassenen Kaufhaus gedreht.
"Die Stadt hat vieles zu bieten an Architektur."
Die ist schön, um nicht zu sagen malerisch und hat deswegen in der Vergangenheit vor allem Rentner angezogen. Görlitz gilt als Rentnerparadies. Und genau das ändert sich gerade, aufgrund verschiedener lokaler Initiativen, die auch von der Stadt gefördert werden. Und auch, weil Menschen wie Raffael hierherziehen und sich außerhalb der Uni engagieren, zum Beispiel für den Verein Rabryka.
Mitmischen bei der Stadtentwicklung
Der Verein "Rabryka" befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Hefefabrik. Der Ort ist zum Treffpunkt geworden, für Menschen, die Lust haben, neue Ideen für die Stadt zu entwickeln. Gerade bauen die Engagierten hier einen Skateplatz mit Holzrampe.
Denn wo nichts ist, da bietet sich die Möglichkeit, was Neues mit aufzubauen. Raffael nutzt diese Freiheiten: Er betreibt außerdem ein Café in der Altstadt. Raffael kann sich vorstellen, auch nach dem Studium hier zu bleiben. Als Sozialarbeiter hat er sogar gute Chancen auf einen Job.
2012 gab ein Flashmob den Startschuss für eine neue Jugendbewegung. Das erzählt Sozialarbeiter Robert: "200 junge Leute mit Gaffatape um den Mund sind in den Stadtrat rein und haben die Sitzung blockiert und Handzettel verteilt."
"Das hat für viel Aufsehen gesorgt. Seitdem gibt es so eine Welle, die durch Görlitz schwappt."
Seit zwei Jahren steigt übrigens die Einwohnerzahl in Görlitz wieder, was vor allem auf das Konto von jungen Menschen und Migranten geht.