Glücklich seinWenn wir uns selbst neu entdecken
Feiern gehen hat Melina früher richtig glücklich gemacht. Dann kam ein Shift: Inzwischen hat sie andere Prioritäten. Psychologin Doris Baumann forscht dazu und erklärt, warum sich Erfüllung im Leben auch verändern kann.
Für Melina hat Feiern gehen lange Loslassen bedeutet. Wenn der Vibe im Klub stimmte und die Stimmung ausgelassen war, fühlte sich das Feiern leicht an – nach Freiheit. Melina war deswegen gerne unterwegs und tanzte im Klub die Nächte durch – bis plötzlich alles stillstand und die Corona-Pandemie die Feierkultur von einem Moment zum anderen veränderte.
"Wer bin ich eigentlich?"
Kein Klub mehr, kein Feiern mehr, sondern Social Distancing. "Da habe ich erst einmal schlucken müssen und gedacht: Was mache ich jetzt? Wer bin ich jetzt?", erzählt sie. Feiern zu gehen war ein Teil ihrer Identität. An diesen Teil klammerte sie sich anfangs noch ziemlich, obwohl durch die Corona-Pandemie alles anders war.
Als sich die Lage wieder entspannte und Melina nach Monaten wieder im Klub war, merkte sie: Das fühlt sich leer an. Feiern erfüllt sie nicht mehr so wie früher. "Es war teilweise so, dass ich im Klub gestanden bin und mir die Crowd angeschaut habe, die offenbar Spaß hatte – nur ich hatte keinen", erinnert sie sich.
"Feiern bedeutete für mich viel Leichtigkeit und Unbeschwertheit. Und plötzlich kam eine Phase, wo ich gemerkt habe: Das gibt mir irgendwie nichts mehr."
Was uns erfüllt wandelt sich
In den Corona-Jahren ist ihr aufgefallen, wie gut ihr Ruhe tut. Diese Ruhe findet sie in den Bergen beim Wandern. Ihr Prioritäten haben sich verschoben, sagt sie. Wenn das Wetter am nächsten Tag gut werden soll, freut sie sich mehr auf einen Wanderausflug statt über einen Klubbesuch. "Als diese Veränderung kam, hat mich das sehr verwirrt. Da hab ich echt ein bisschen gestruggelt", so Melina.
Mittlerweile kann sie die Veränderung der Prioritäten in ihrem Leben annehmen, weil das für sie auch bedeutet, sich selbst treu zu bleiben. Auch ihre Auffassung vom Feiern hat sich geweitet: Für sie kann Feiern auch Grillen mit Freund*innen oder eben Wandern bedeuten – das sind alles Dinge, die sie erfüllen.
"Als diese Veränderung kam, hat mich das sehr verwirrt. Ich habe mich fragt: Wer bin ich eigentlich?"
Was aber heißt Erfüllung eigentlich? Genau das erforscht Psychologin Doris Baumann von der Uni Zürich. Sie sagt: Damit wir etwas als erfüllend wahrnehmen, muss es bedeutsam für uns sein. Und das, was bedeutsam für uns ist, kann sich im Laufe unseres Lebens verändern.
In der Zeit unseres Erwachsenwerdens verändern wir uns so viel wie in kaum einer anderen Lebensphase: Unsere Schulzeit endet, wir ziehen von zu Hause aus, finden einen Job und haben unsere erste Beziehung. Dadurch verschieben sich auch unsere Interessen, Ziele und Werte, so die Psychologin, es werden andere Dinge für uns wichtig.
Für Erfüllung braucht es Mut
Sich auf Veränderungen einlassen und was Neues wagen, wie Melina es getan hat, das kann uns näherbringen in Richtung Erfüllung. "Für ein erfülltes Leben sollten wir lernen, immer wieder mal die eigene Komfortzone zu verlassen, weil wir dadurch unsere eigenen Grenzen überwinden können und auch Rollen einnehmen können, die wir uns vielleicht nie zugetraut hätten," erklärt Doris Baumann. Das heißt: Wir können uns weiterentwickeln.
"Mut ist eine sehr bedeutende Charakterstärke für ein erfülltes Leben."
Was es dafür braucht, ist Mut. Denn Mut hilft uns, Chancen auch zu nutzen und sich treu zu bleiben, erklärt die Psychologin. Rückschläge gehören auch dazu. Denn: Wenn wir uns den Schwierigkeiten stellen und sie meistern, entwickeln wir eine gewisse Stärke und das kann uns wiederum zufrieden machen, uns erfüllen.