GleichberechtigungPetition: Gestaffelter Mutterschutz nach Fehlgeburt
Natascha Sagorski hatte eine Fehlgeburt in der zehnten Schwangerschaftswoche. Ihr Anspruch auf Mutterschutz war damit hinfällig. Eine Krankschreibung wollte ihr die Ärztin nicht ausstellen. Weil Natascha Sagorski die geltende Regelung gegenüber Frauen, die ihr Kind zu einem frühen Zeitpunkt während der Schwangerschaft verlieren, für diskriminierend hält, hat sie eine Petition für einen gestaffelten Mutterschutz nach einer Fehlgeburt gestartet.
"Ich kann keinen Herzschlag mehr finden." Ein Satz, der oft fällt und möglicherweise der Satz, mit dem auch Natascha Sagorskis Schwangerschaft ein abruptes Ende fand. Danach ging es relativ schnell, sagt sie: Sie kam ins Krankenhaus wo eine Ausschabung vorgenommen wurde. Die Ärztin sagte ihr dort, dass sie keine Krankschreibung benötige und am nächsten Tag zur Arbeit gehen könnte. Zwar könnten sich Frauen krankschreiben lassen. Die Erfahrung zeige aber, dass viele Ärztinnen und Ärzte das nicht tun - oder nur für kurze Zeit, sagt Natascha Sagorski.
"Die Erfahrung ist, dass sehr viele Ärzte die Frauen nicht oder nur sehr kurz krankschreiben."
Der Hintergrund: Wenn eine Schwangerschaft in einem frühen Stadium abbricht, wie es bei Natascha der Fall war, besteht auch kein Anspruch auf Mutterschutz mehr. Das liegt daran, dass nach geltendem Recht der Verlust der Schwangerschaft vor der 22. bis 24. Schwangerschaftswoche als Fehlgeburt eingestuft wird. Das ist auch der Fall, wenn ein tot geborenes Kind weniger als 500 Gramm wiegt.
Nach der 24. Schwangerschaftswoche oder wenn ein tot geborenes Kind über 500 Gramm wiegt, gilt es als Totgeburt. In diesem Fall sind Frauen rechtlich besser abgesichert und haben Anspruch auf Mutterschutz.
"Dieser Schutzaspekt, den ein gestaffelter Mutterschutz bringen würde, den haben wir momentan nur, wenn du Glück und einen ganz tollen Arzt hast."
"Es hat mir regelrecht die Sprache verschlagen"
Noch geschockt vom plötzlichen Verlust ihres Kindes während der Schwangerschaft, fühlte sich die gerade noch werdende Mutter, die nun plötzlich keine mehr war, gar nicht in der Lage, direkt am nächsten Tag wieder arbeiten zu gehen.
"Ich fordere die Umsetzung eines gestaffelten Mutterschutzes nach Fehlgeburten."
Sie habe sich sehr alleine mit diesem Problem gefühlt und den Fehler bei sich gesucht, erzählt die PR-Fachfrau. Dabei gibt es sehr häufig Fehlgeburten.
Eine von sieben Schwangerschaften weltweit endet mit einer Fehlgeburt, eine von zehn Frauen hat mindestens eine Fehlgeburt erlitten. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung eines internationalen Expertenteams, das dazu einen Bericht im Fachmagazin Lancet veröffentlicht hat.
Vermutlich sei die Zahl aber "wesentlich höher", weil nicht jede Fehlgeburt gemeldet werde.
Gestaffelter Anspruch bei frühem Verlust
Natürlich leuchte es ein, dass bei einem frühen Verlust der Schwangerschaft nicht der gleiche Anspruch auf Mutterschutz bestehen könne wie bei einer Frau, die ihr Kind gegen Ende der Schwangerschaft verliert, sagt Natascha Sagorski.
Bei einer Schwangerschaft, die ohne Komplikation normal verläuft, hat eine Frau sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt Anspruch auf Mutterschutz. Das heißt, dass sie beispielsweise nicht von ihrem Arbeitgeber aufgefordert werden kann, zu arbeiten beziehungsweise dieser Forderung nicht Folge leisten müsste.
Natascha Sagorski fordert von der Politik, die geltende Regelung für Schwangere und deren Schutz auch nach einer Fehlgeburt zu überdenken.
Ihr Vorschlag: Eine Expertenkommission aus Hebammen, Gynäkolog*innen, Arbeitsrechtler*innen und Trauerbegleiter*innen sollte eine Staffelung für den Mutterschutz erarbeiten.
"Du kannst einer Frau nicht nach fünf Monaten sagen: 'Pech, du bist keine Mutter mehr, funktioniere wieder'."
Natascha Sagorski hat eine Petition für den gestaffelten Mutterschutz ins Leben gerufen. Sie hat viele Politiker*innen angeschrieben und auf das, was sie als Missstand empfindet, aufmerksam gemacht, allerdings so gut wie keine Reaktionen darauf erhalten, sagt sie.
Die FDP-Politikerin Maren Jasper-Winter hat Natascha Sagorski darüber informiert, dass Unterstützung für Eltern nach Fehl- und Totgeburt ein Thema im Koalitionsvertrag ist. Und dass im kommenden Winter über eine Vorverlegung der Grenze für den Mutterschutz von der 24. auf die 20. Schwangerschaftswoche verhandelt werden soll.
Für Natascha Sagorski ist diese Änderung allerdings nicht ausreichend, weil dadurch weiterhin eine harte Grenze bestehen bleibt zwischen vormals Schwangeren, die Mutterschutz erhalten und denjenigen, die ihn nicht zugesprochen bekommen.