Glass Cliff TheoryWenn's brennt, müssen Frauen ran
Frauen in Führungspositionen? Gerne! Vor allem dann, wenn der Karren schon richtig tief im Dreck steckt. Das zumindest ist die These der Glass Cliff Theorie.
Die Ergebnisse der SPD bei den Bundestagswahlen waren so schlecht, wie lange nicht mehr. Jetzt soll Andrea Nahles den Karren wieder aus dem Dreck ziehen - als neue Fraktionsvorsitzende. Dass es ausgerechnet jetzt eine Frau an die Spitze der SPD schafft, ist nach der Glass Cliff Theory kein Wunder. Denn die besagt: In Krisenzeiten ist es wahrscheinlicher, dass eine Frau eine Führungsposition bekommt.
"Immer dann, wenn es die klassische männliche Elite vorher verkackt hat."
Es gibt zahlreiche Beispiele aus Politik und Wirtschaft:
- Theresa May:
durfte ran, als ihr Vorgänger David Cameron es mit dem Brexit-Referendum verkackt hatte und die anderen männlichen Mitbewerber wie Boris Johnson aus dem Rennen waren. - Bundeskanzlerin Angela Merkel:
hat es 2000 erst an die Spitze der CDU geschafft, als die Männer sich zerstritten hatten und das Image von Wolfgang Schäuble wegen der Spendenaffäre Ende der 90er Jahre ziemlich angeschlagen war. - Marissa Meyer:
wurde von Google zu Yahoo geholt, als das Unternehmen bereits kurz vor dem Aus stand.
Der Ausdruck Glass Cliff Theory stammt von zwei Wissenschaftlern der University of Exeter und wurde 2004 zum ersten Mal verwendet. In einer Studie haben sie sich Unternehmensstrukturen genauer angeschaut und festgestellt: Wenn die Performance des Unternehmens in den vorherigen fünf Monaten schlecht war, ist es wahrscheinlicher, dass eine Frau eine Führungsposition bekommt.
...und alle gucken zu
Die Metapher der gläsernen Klippe hat auch etwas mit der bekannteren Theorie der gläsernen Decke zu tun. Die besagt, dass qualifizierte Frauen das Ziel - also die Führungsposition - oft zwar schon sehen können, es am Ende aber dann doch nur sehr selten ganz nach oben schaffen.
Die gläserne Klippe ist eine Metapher dafür, dass Frauen, wenn es darum geht, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen, da oben oft ziemlich alleine stehen, während von unten alle zusehen, ob und wie ihnen das gelingt.
Frauen sind die besseren Sündenböcke
Als Grund für dieses Phänomen vermutet die Psychologie-Professorin Kristin J. Anderson von der University of Houston, dass Unternehmen mit einer Frau an der Spitze in jedem Fall gewinnen würden. Wenn alles gut geht, super. Wenn nicht, lässt sich die Schuld auf die Frau schieben. Denn man habe es ja immerhin versucht mit der Gleichberechtigung.
Ein anderer Erklärungsansatz geht das Phänomen von der anderen Seite an. Frauen, oder generell Minderheiten, nehmen solche Aufgaben einfach eher an. Denn sie bekommen viel seltener ein Angebot für eine Führungsposition - Stichwort gläserne Decke - und sind deshalb auch bereit, die schwierigeren oder aussichtsloseren Aufgaben anzunehmen.
Generalisieren lässt sich diese Theorie allerdings nicht. Mit Christian Lindner zum Beispiel hat ein weißer Mann die FDP zumindest vorerst wieder aus der Krise geführt.