EmpathieGewaltfreie Kommunikation: So kriegen wir es wirklich hin
Viel Klarheit über sich selbst und das Gegenüber, das verspricht Gewaltfreie Kommunikation. Zeit braucht es dafür, und die Bereitschaft zu scheitern.
Freundlich, friedlich, nett und dabei fokussiert auf den Inhalt und vielleicht auch auf eine Botschaft: So in etwa könnte Kommunikation idealerweise sein. Dann ist sie auch gewaltfrei. Im Alltag ist es dann schnell vorbei damit.
Stina (Name geändert) ist Lehrerin und hostet den Podcast "Strategiewechsel". Darin thematisiert sie auch Erfahrungen aus ihrem Schul-Alltag und zeigt, wie gewaltfreie Kommunikation im Alltag funktionieren kann. Im Kern steht für sie die Frage: Warum sagst du die Sachen, die du sagst?
Für Stina ist gewaltfreies Kommunizieren eine Haltung, eine tägliche Aufgabe. Ziel eines Gesprächs ist stets eine Verbindung herzustellen und zu erfahren, was das Gegenüber bewegt und auch von sich mitzuteilen. Gerade in schwierigen Situationen findet sie diese Haltung wertvoll. Vorwürfe zu machen, andere zu verurteilen und zu analysieren, sei dann nicht mehr nötig.
Verbündete als Hilfe
Timos Kommunikationsideal stimmt mit Stinas recht weitgehend überein. Er hostet den Youtube-Kanal "Empatimo" und beschäftigt sich auch mit Gewaltfreier Kommunikation – kurz GfK. Ziel sei es am Ende eine Verbindung herzustellen, findet er. Er könne aktiver für seine Anliegen einstehen und finde viel Selbstwert und Ermächtigung.
"Es gibt Situationen im Alltag, die es uns schwermachen, klar zu denken. GfK bedeutet für mich dahinterzukommen, was es ist, was mich da so trifft."
Stina hat gewaltfreie Kommunikation als Gamechanger erlebt. Als Lehrerin ist es ihr wichtig, dass alle friedlich miteinander umgehen. Dann nämlich fange das Zuhören erst an. Dabei haben ihr schriftliche Auflistungen ihre Bedürfnisse und Gefühlen auf dem Handy geholfen. Die hat sie sich dann in entsprechenden Situationen angesehen, um das Benennen von Emotionen zu üben.
"Ich empfinde es so: Gerade, wenn ein Konflikt im Raum steht, bewaffnen sich die Leute mit Argumenten und Vorwürfen."
Das Konzept hinter gewaltfreier Kommunikation – kurz GfK – kommt von dem amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg. Historischer Hintergrund sind die Bürgerrechtsbewegungen in den USA der 1960er Jahre.
Der Kommunikationspädagoge Granit Berisha kennt das Konzept und die Praxis gewaltfreier Kommunikation. Das Prinzip lässt sich nicht auf die Schnelle vermitteln, sagt er. Grundsätzlich beruhe es auf Empathie.
"Wenn man sich mit Gewaltfreier Kommunikation beschäftigt, beschäftigt man sich auch mit sich selbst, mit Gefühlen und Bedürfnissen."
Weil es grundsätzlich schwerfällt, eigene Bedürfnisse und Gefühle zu äußern und Unzulänglichkeiten offenzulegen, ist das schon ein ziemlich großer Schritt. Diesen Konflikt auf eine bestimmte Art und Weise anzusprechen und das Gegenüber nicht vor den Kopf zu stoßen - das ist für Granit Berisha gewaltfreie Kommunikation.
Dazu kommt die Aufgabe, sich selbst zu schützen, vor den Folgen der eigenen Gewaltanwendung. GfK ist keine Technik, mit der sich jeder Streit gewinnen lässt. Selbstakzeptanz entsteht durch Gefühlskommunikation.
"Wenn ich einem Menschen gewaltvoll begegne, wird mir das kurz Luft verschaffen, aber es wird mich langfristig nicht glücklich machen."
Granit Berisha ist sicher, dass es für gewaltfreie Kommunikation Zeit braucht. Er empfiehlt Konflikte nie zwischen Tür und Angel zu besprechen und sich vor und während des Gesprächs Zeit zu nehmen. Eine Erfolgsgarantie gibt es bei all diesen Anstrengungen nicht, sagt Granit. Schon der Versuch allerdings lohnt sich.
"Wir sind keine Roboter. Auch mit viel Übung ist es nicht immer möglich, gewaltfrei beziehungsweise empathisch zu kommunizieren."