Machismo und FrauenmordeGewalt gegen Frauen in Mexiko: Immer brutalere Morde, immer lauterer Protest
Mehr als zehn Frauenmorde pro Tag sind im April dieses Jahres in Mexiko registriert worden. Während die Behörden kaum Straftaten verfolgen und der Präsident des Landes die Zahlen herunterspielt, formiert sich eine immer größere Protestwelle.
So hoch wie im April dieses Jahres war die Gewalt an Frauen in Mexiko noch nie: 337 Morde wurden offiziell registriert, die Zahl der Notfallanrufe stieg deutlich an, und viele Frauen suchten Zuflucht in Frauenhäusern.
Dass die Gewalt an Frauen und die Femizide, also Morde an Frauen, nicht ab- sondern zunehmen, liegt vor allem daran, dass nur zwei Prozent aller Straftaten im Land aufgeklärt werden werden, erklärt Anne-Katrin Mellmann, ARD-Korrespondentin für Mexiko. Für viele Männer sei diese Straflosigkeit ein Freibrief, sich weiterhin gewalttätig gegenüber Frauen zu verhalten.
"Die Straflosigkeit ist sehr sehr hoch. Nur ungefähr zwei Prozent der Straftaten werden überhaupt aufgeklärt."
Gerade die jüngere Generation der mexikanischen Frauen nimmt das nicht mehr hin. Die Proteste im Land werden deshalb immer lauter – auch, wenn sie durch die Corona-Krise einen Dämpfer erfuhren, sagt Anne-Katrin Mellmann.
Gewalt steigt in der Corona-Krise
Dass die Zahlen im April so stark angestiegen sind, liege vor allem an den durch die Corona-Krise bedingten Ausgangsbeschränkungen. Viele Männer würden deutlich mehr Zeit bei ihren Frauen und Kindern zuhause verbringen als sonst. Dort seien die Frauen ihren Männern schutzlos ausgeliefert.
"In Mexiko sitzen die Familien immer noch zuhause. Dann sind die Frauen ihren Männern schutzlos ausgeliefert."
Viele Männer in Mexiko seien es nicht gewohnt, ihre Frauen und Kinder so lange Zeit um sich herum zu haben. Davon sind sie jetzt häufig genervt, was sich schnell in Gewalt umwandelt, so Anne-Katrin Mellmann.
Kaum Interesse an der Aufklärung der Verbrechen
Im gesamten vergangenen Jahr wurden in Mexiko laut offiziellen Angaben 3800 Morde an Frauen begangen. Viele Fälle von häuslicher Gewalt bis hin zu den brutalen Morden an Frauen wurden niemals verfolgt. Das liegt nicht nur an einer allgemeinen Ineffizienz der Behörden, Straftaten aufzuklären, sondern auch an der Gleichgültigkeit, mit welcher die Behörden besonders das Thema Gewalt gegen Frauen behandeln, erklärt Anne-Katrin Mellmann. Oft würde die Polizei die Anzeigen der Frauen nicht ernst nehmen und herunterspielen.
"Wenn sich die Frauen dann an die Behörden wenden, heißt es ganz häufig bei der Polizei: 'Ach komm, stell dich nicht so an, er ist doch dein Mann'."
Als beispielsweise vor drei Jahren eine junge Studentin nach einer Partynacht von ihrem Taxifahrer vergewaltigt und ermordet wurde, äußerte sich dazu der zuständige Universitätsdirektor in der Öffentlichkeit: Nach seinen Ansichten sei die Frau selbst schuld daran gewesen, wenn sie so spät in der Nacht noch alleine unterwegs gewesen sei.
Die Wut wird immer größer
Selbst der Präsident des Landes redet das Problem noch klein. Oder er behauptet, die gestiegenen Zahlen seien falsch oder tut sogar so, als gebe es überhaupt kein Problem mit Gewalt an Frauen, sagt Anne-Katrin Mellmann. Doch die Gewalt und die Femizide wurden in den vergangenen Jahren immer grausamer und brutaler. Und so werden auch die Proteste, die es schon seit vielen Jahren gibt, derzeit immer größer und lauter.
"Die Gewalt ist sehr stark an gestiegen im letzten Jahr. Die Fälle sind immer grausamer und brutaler geworden. Die Untätigkeit des Staates ist immer offensichtlicher geworden."
Während sich am Anfang vor allem jüngere Frauen für Proteste zusammenschlossen, haben sich nach und nach Frauen aus allen Altersschichten mit den Protesten solidarisiert. Am 7. März dieses Jahres kam es zu Protesten mit über 100.000 Teilnehmerinnen. Am Tag darauf, dem internationalen Weltfrauentag, blieben sogar alle Frauen des Landes zuhause, um zu demonstrieren, wie es ohne sie sei, erzählt die ARD-Korrespondentin Anne-Katrin Mellmann.
Die Soldarisierung im Land steigt
Auch, wenn es schwer zu messen ist und die Proteste aufgrund der Corona-Krise wieder etwas kleiner wurden, ist Anne-Katrin Mellmann davon überzeugt, dass sie etwas bewegt haben. Das lässt sich auch daran erkennen, dass auch immer mehr Männer die Frauenbewegung unterstützen. Zudem wird das Thema in Schulen behandelt, um bereits im jungen Alter zu verhindern, dass die neuen Generationen in die alten Strukturen hineinwachsen, sagt Anne-Katrin Mellmann.
Im Gespräch mit Anne Katrin-Mellmann könnt ihr außerdem hören, wie sich der Machismo im Alltag der Frauen deutlich zeigt, welche Maßnahmen junge Frauen deshalb ergreifen und welche persönlichen Erfahrungen unsere ARD-Korrespondentin in Mexiko gemacht hat.