Gewalt gegen PolizeiWie sich die Gewaltbereitschaft verändert hat
Es begann mit einer Drogenkontrolle und endete in massiver Gewalt – auch gegen die Polizei. Bei den Krawallen in Stuttgart wurden 19 Polizeikräfte verletzt. Und es heißt: das ist keine Ausnahme. Viele sagen: Der Hass gegen die Polizei in Deutschland nimmt zu – und auch die Gewaltbereitschaft.
Ein junger Mann nimmt Anlauf und springt mit ausgestrecktem Bein mit voller Wucht gegen den Rücken eines Polizisten, der gerade am Boden jemanden festhält. Eine Szene, die sich so bei den Krawallen in der Stuttgarter Innenstadt ereignet hat. Hunderte Randalierer haben die Stadt verwüstet und Polizeikräfte angegriffen. Laut Polizei wurden insgesamt 19 Beamte bei dem Einsatz verletzt. Szenen, wie diese, sind keine Ausnahme.
Immer wieder werden Polizeikräfte im Einsatz angegriffen und der Lagebericht
des Bundeskriminalamts von 2019 spricht von insgesamt 39.000 Gewalttaten gegen Polizeikräfte. Den Hauptteil machen Widerstand gegen die Polizei und tätliche Angriffe aus, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Kristin Mockenhaupt.
"2019 gab es fast 39.000 Gewalttaten gegen Polizeikräfte. Den Hauptteil machen Widerstand gegen die Polizei und tätliche Angriffe aus."
Auf den ersten Blick lassen die Zahlen vermuten, dass die Annahme stimmt: Die Gewaltbereitschaft gegen die Polizei steige an. Denn im Jahr 2011 gab es noch deutlich weniger Fälle, berichtet Kristin Mockenhaupt. Damals wurden 31.000 Fälle registriert, also 8000 weniger als im Jahr 2019. In den Jahren dazwischen sei ein kontinuierlicher Anstieg zu beobachten. Auffällig sei aber das Jahr 2018: Ein großer Sprung nach oben sei zu verzeichnen. Das liege vor allem an der Gesetzesänderung, die in diesem Jahr in Kraft getreten ist, erklärt die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin im Grünstreifen. Seitdem gelten mehr Fälle als tätliche Angriffe gegen die Staatsgewalt.
"2018 ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten. Seitdem gelten mehr Fälle als tätliche Angriffe gegen die Staatsgewalt."
Wenn zum Beispiel Polizeikräfte auf Streifenfahrt angegriffen werden, werde das seit der Gesetzesänderung als tätlicher Angriff gegen die Staatsgewalt gewertet – nicht erst, wenn jemand angehalten und kontrolliert wird. Außerdem zählen auch Angriffe gegen Beamte, die nicht erfolgreich waren, sagt Kristin Mockenhaupt. Das heißt: Wenn jemand eine Flasche in Richtung eines Polizisten wirft, aber nicht trifft, dann zähle das trotzdem seit 2018 als Angriff gegen die Staatsgewalt. Das sei vorher nicht so gewesen, so die Reporterin.
Das könne ein Grund sein, warum es im Jahr 2019 mit 14.000 tätlichen Angriffen über 3.000 Fälle mehr gab als noch im Jahr zuvor. Hinzu kommen drei besondere Ereignisse, die zu mehr Gewalt gegen die Polizei geführt haben: die Ausschreitungen im Hambacher Forst, Ausschreitungen bei einem Fest in Darmstadt und der G20-Gipfel in Hamburg. Deshalb müssten die Zahlen über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Davor könne noch keine klare Aussage getroffen werden, ob die Gewaltbereitschaft tatsächlich gestiegen ist, sagt Kristin Mockenhaupt.
"Das muss man längerfristig beobachten, ob es tatsächlich einen anhaltenden Trend zu mehr Gewalt gegen die Polizei gibt."
Polizei als Symbol
Hinzukommt die angespannte Lage in Deutschland seit Beginn der Corona-Pandemie. Das Bild der Polizei hätte sich in den vergangenen Monaten verändert, sagt Jörg Radeck von der Gewerkschaft der Polizei im ARD-Morgenmagazin. Am Anfang hätten die Menschen in Deutschland die Corona-Maßnahmen akzeptiert und dadurch auch die Polizei. Je länger die Pandemie andauere, desto weniger Verständnis gebe es in der Bevölkerung. Oft schlage das jetzt in Misstrauen und Aggression um, wie die Ausschreitungen in Stuttgart oder die Hygiene-Demos zeigen, sagt Radeck. Die Polizei werde als Vertreter des Staates wahrgenommen und wegen der Einschränkungen angegriffen.
"Je länger die Pandemie mit ihren Auflagen anhält, desto weniger Verständnis finden wir vor. Das schlägt auch in Aggression um."