Femizide und häusliche Gewalt in DeutschlandAlle drei Tage wird eine Frau vom (Ex-)Partner umgebracht
Weltweit haben haben in den letzten Jahren Femizide und Fälle häuslicher Gewalt zugenommen – auch in Deutschland. Problematisch sei oft vor allem die Strafverfolgung der Taten, sagt Julia Cruschwitz, Journalistin und Autorin des Buchs "Femizide: Frauenmorde in Deutschland".
126 Femizide gab es im Jahr 2022 in Deutschland – das bedeutet: Etwa jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Die Uno hat in einem neuen Bericht Zahlen zu weltweiten Femiziden veröffentlicht. Demnach wurden im Jahr 2022 etwa 89.000 Frauen und Mädchen ermordet – so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr. Rund die Hälfte dieser Tötungsdelikte werden von Menschen begangen, die den Frauen nahestehen – also von Familienmitgliedern, Partnern oder Ex-Partnern.
Die Dunkelziffer dürfte aber sehr viel höher liegen.
Femizide oft weniger schwer geahndet als Mord
Mit welcher Hilfe Frauen rechnen können und was der Staat tut, dazu hat die Journalistin Julia Cruschwitz lange recherchiert und das Buch "Femizide: Frauenmorde in Deutschland" geschrieben. Sie sagt, ihr sei bewusst, dass die Zahl der ermordeten Frauen in anderen Ländern noch viel höher sei als in Deutschland. Trotzdem ist die Journalistin erschrocken darüber, dass die Fälle auch bei uns im Land zunehmen.
"Das ist kein Problem, das weit weg in Afrika, in Asien, in anderen Kulturen stattfindet – sondern fast tagtäglich hier vor unseren Augen."
Bei der Strafverfolgung wird zwischen "Mord" und "Totschlag" unterschieden, erklärt Julia Cruschwitz – um was genau es sich in den Einzelfällen jeweils handelt, muss ein Gericht entscheiden. "Es gibt aber häufig die Tendenz, dass Femizide eher als Totschlag geahndet werden – also weniger schwer als Mord", erklärt die Journalistin. Viele Frauenrechtsorganisationen würden das kritisieren. Vor allem bei Trennungen gehe es nämlich häufig um die "niederen Beweggründe", also beispielsweise darum, ob es nachvollziehbar ist, dass ein Mann seine Frau tötet.
"Bei Trennungen gibt es bei vielen Gerichten tatsächlich Verständnis für den Täter. Weil sie hat sich ja getrennt und er ist so wütend. Da kann man das quasi nachvollziehen. Und dann werden die weniger hart bestraft."
Grundsätzlich unterschieden werden muss zwischen Femizid und häuslicher Gewalt, macht die Journalistin klar. Beides hänge zwar miteinander zusammen, sei aber nicht dasselbe. Auch die Zahlen unterscheiden sich stark: Zu Fällen häuslicher Gewalt kommt es in Deutschland noch viel häufiger als zu Femiziden, das steht im Bundeslagebild Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamts (BKA). Demnach gibt es pro Jahr knapp 160.000 Fälle von Gewalt in Partnerschaften. 80 Prozent der betroffenen Personen sind weiblich. Auch hier gibt es höchstwahrscheinlich eine hohe Dunkelziffer.
Strafverfahren bei häuslicher Gewalt werden oft eingestellt
Laut Julia Cruschwitz ist die Strafverfolgung in solchen Fällen sehr schwierig. Das hat sie bei Recherchen zu ihrem Film "Hinter verschlossenen Türen: Gewalt gegen Frauen" herausgefunden. Häufig sei es so, dass diese Strafverfahren eingestellt werden – der Grund sei oft mangelndes öffentliches Interesse.
"Häusliche Gewalt wird quasi immer noch als Privatsache betrachtet – und das ist ein ganz großes Problem."
Julia Cruschwitz hat bei ihren Recherchen mit vielen Betroffenen gesprochen. Das größte Problem war bzw. ist, dass man ihnen nicht geglaubt hat, so die Journalistin. Weder von den Straf- und Jugendbehörden noch vom Familiengericht seien die Schilderungen der Betroffenen ernst genommen worden.
Das Thema ist zudem immer noch sehr schambehaftet, kritisiert Julia Cruschwitz – und das, obwohl es sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht.