Gewalt gegen FrauenDas eigene Zuhause als gefährlichster Ort
Wir haben vermutlich noch nie so viel Zeit zuhause verbracht wie in den vergangenen eineinhalb Jahren. Für manche war das eine willkommene Entschleunigung, für andere lebensbedrohlich. Ein Vortrag der Politikwissenschaftlerin Tina Jung über Gewalt gegen Frauen.
Lockdown und Social Distancing waren weltweit die ersten Mittel der Wahl, um die Verbreitung des Virus Sars-Cov-2 zu bekämpfen. Das bedeutete zuhause zu bleiben, im engsten Kreis der Familie. Dabei hat sich gezeigt, wie gefährlich die eigenen vier Wände für Frauen und Kinder sein können. "Der gefährlichste Ort im Leben einer Frau ist das eigene Zuhause", sagt die Politikwissenschaftlerin Tina Jung.
"Mit der Covid-19 Pandemie hat es auch in Deutschland einen massiven Zuwachs von Gewalt gegen Frauen gegeben."
Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen sprechen von einer Schattenpandemie häuslicher Gewalt. Doch die hat nicht erst mit Corona begonnen, sagt Tina Jung. In ihrem Vortrag erklärt sie, welche Formen von Gewalt Frauen weltweit erfahren und wie sie dagegen kämpfen. Denn die Pandemie wird eines Tages überwunden sein - die Gewalt gegen Frauen wird dann allerdings nicht einfach aufhören.
Gewalterfahrungen mit neuen Protestformen öffentlich machen
Zu Tina Jungs Forschungsschwerpunkten an der Justus-Liebig-Universität Gießen gehören Geschlechterverhältnisse und Gewalt in der Geburtshilfe. Am Beispiel der so genannten "Roses Revolution" zeigt Jung, wie Frauen ihre Gewalterfahrungen mit neuen Protestformen öffentlich machen.
"Trauma ist Ausdruck krankmachender Ungleichheits- und Gewaltverhältnisse."
Jedes Jahr am 25. November legen Frauen eine rosafarbene Rose an dem Ort ab, an dem sie Gewalt während der Geburt erfahren haben. Zusätzlich berichten viele der betroffenen Frauen an diesem Tag, was sie während der Geburt erlebt haben. Damit eröffnen sie einen Weg, Tabus zu brechen und traumatische Erlebnisse zu teilen und zu verarbeiten.
"Jede auf die Zukunft gerichtete politische Strategie für die Post-Pandemie-Gesellschaft muss die Rechte von Frauen, LGBTIQ und Kindern ins Zentrum stellen."
Tina Jungs Vortrag hat den Titel "Krise und Gewalt. Zur 'Schattenpandemie' der Gewalt gegen Frauen". Sie hat ihn am 23. Juni 2021 online gehalten, im Rahmen der interdisziplinären Ringvorlesung "Shaping the Future. Female and Queer Perspectives on Possible Futures" der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Aus der gleichen Reihe lief in der letzten Sendung ein Vortrag der Erziehungswissenschaftlerin Havva Engin über Schule in der Pandemie und Bildungsgerechtigkeit.
Zum Weiterlesen:
- Die "Istanbul-Konvention" (unwomen.de) | Ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
Das Hilfetelefon – Beratung und Hilfe für Frauen:
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben.
Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung auf hilfetelefon.de werden dort Betroffene aller Nationalitäten unterstützt - 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte werden dort anonym und kostenfrei beraten.