EntfremdetDas Gespräch ist beendet
Erst hat sich Claudia über die kruden, rechten Postings eines Freundes nur gewundert. Dann hat sie irgendwann das Gespräch gesucht. Leider ging das anders aus, als erwartet. Die Freundschaft ist für Claudia nun beendet.
Die sogenannte "Flüchtlingskrise" findet nicht nur an den Grenzen von Europa statt. Sie spielt auch in unseren Köpfen. Seit einigen Monaten sind die Töne in Deutschland rauer geworden, wenn man über Flüchtlinge spricht. Die Diskussionen werden unsachlicher. Oft geht es nicht mehr um Argumente, sondern um Meinungen.
Bist du für oder gegen die Flüchtlinge? Die Debatte wird häufig verkürzt auf diese Frage. So entsteht ein Riss, der durch unsere Gesellschaft geht. Dieser Riss trennt Arbeitskollegen in zwei Lager, Bekannte und auch Freunde.
"Ich habe mich in einer vollkommen traurigen Situation wiedergefunden. Ich habe Schluss gemacht mit einem sehr guten Freund. Ich hatte so ein Gespräch, das man eigentlich nur führt, wenn man eine Beziehung beendet."
Claudia wohnt seit sechs Jahren in Köln, kommt aber aus der Nähe von Dresden. "In den letzten Monaten hat sich meine Heimat so stark politisiert, wie ich das noch nie erlebt habe", sagt sie. Das Thema Flüchtlinge ist überall präsent. Und sie hat mit vielen Bekannten darüber gesprochen und auch gestritten. Wirklich nah ging ihr aber dann, dass ein sehr guter Freund von ihr plötzlich begann, merkwürdige Dinge auf Facebook zu posten.
"Es fing an mit einem Video von so einem Esoterik-Typen. Darin wurde in wenigen Minuten die ganze Klaviatur gespielt: Die Medien lügen, seien gesteuert, von Chemtrails hat er gesprochen. Und ein paar Monate später ging es dann richtig los mit immer mehr Posts von der AfD, von Pegida."
Die Botschaft dieser Postings stieß oft in diese Richtung: Jetzt kommen Massen an Flüchtlingen, das sei alles wahnsinnig und niemand verstehe, dass das den Untergang für uns bedeutet. Reagiert hat Claudia aber zunächst nicht: "Ich glaube, ich hatte Angst vor der Konfrontation. Aber ich wollte auch das, was wir hatten, nicht in den Dreck ziehen."
Claudia hat sich immer wieder gefragt: Wie viel Toleranz braucht eine Freundschaft? Kann ich diese andere Meinung nicht einfach aushalten? Irgendwann geht es aber nicht mehr anders: Claudia trifft sich mit ihrem alten Freund, um zu sprechen.
"Dann habe ich tief durchgeatmet und gesagt: Pass auf, du hast sicher gemerkt, dass ich mich zurückgezogen habe. Das liegt daran, dass ich das Gefühl habe, dass wir nicht mehr die gleichen Werte teilen."
Und dann ging die Diskussion los. Claudias Freund sprach von Medien, die lügen, von "den ganzen jungen, männlichen Flüchtlingen", die hierherkommen und rumlungern. Von einer jüdisch-amerikanischen Weltverschwörung. Und dass er sich mehr Toleranz von Claudia wünsche. Aber Claudia sagt: "Toleranz gegenüber Intoleranz ist ein Ding der Unmöglichkeit."