AlgorithmusPolizei findet hunderte Tatverdächtige per Gesichtserkennung

Die Polizei benutzt Software zur Gesichtserkennung und erzielt damit immer bessere Fahndungserfolge. Doch die Gesichtserkennung ist umstritten.

Das Bundeskriminalamt (BKA) kennt die Gesichter von 5,8 Millionen Menschen. So viele Gesichter sind in der Datenbank des BKA gespeichert. Das geht der Nachrichtenagentur dpa zufolge aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linkenpolitikers Andrej Hunko hervor.

Es sind Fotos von Inhaftierten, von Menschen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind und von Personen, die irgendwann mal einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen wurden, zum Beispiel weil sie auf einer Demo oder bei einem Sitzstreik waren und dort von der Polizei aufgegriffen wurden.

Verbrechen aufklären mit Gesichtserkennung

Diese Fotos kann die Gesichtserkennungssoftware mit den Bildern von Verdächtigen vergleichen. Zum Beispiel misst der Algorithmus die Abstände zwischen Nase und Mund aus, kann so Fotos von Verdächtigen und mit Fotos in der Bilddatenbank identifizieren. "Die digitale Gesichtserkennung ist dabei, ähnlich wichtig zu werden wie der analoge Fingerabdruck", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Martina Schulte.

Wie häufig die Ermittlungsbehörden das tatsächlich machen, ist nicht ganz klar: Nach Angaben der Bundesregierung recherchierte allein die Bundespolizei im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres ungefähr 1200 Mal im Gesichtserkennungssystem des BKA. Dabei hat sie mehr als 200 Menschen identifiziert.

Das Landeskriminalamt in Bayern hat laut aktuellen Zahlen voriges Jahr per Gesichtserkennung 387 Fälle aufgeklärt - ein Jahr zuvor waren es knapp 150 gelöste Fälle.

"Das zeigt wie stark die Bedeutung dieser Technologie in der Polizeiarbeit zunimmt. Die digitale Gesichtserkennung ist dabei, ähnlich wichtig zu werden, wie der analoge Fingerabdruck."
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Das Landeskriminalamt Bayern sieht sich in einer Vorreiterrolle und würde die Gesichtserkennung gerne deutlich ausbauen. Martina Schulte: "Dort ist man der Meinung, dass man noch viel öfter Kriminalfälle auf diese Art und Weise erfolgreich lösen können - wenn die bisherigen Möglichkeiten konsequenter ausgeschöpft würden."

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat eine Ausweitung der Gesichtserkennung allerdings gestoppt.

Gesichtserkennung in den USA

Da ist die Polizei in den USA zum Beispiel sehr viel weiter: Die Behörden nutzen eine Software, die nicht nur die interne Bilddatenbank durchwühlt, sondern das Internet akribisch nach Fotos durchsucht und abgleicht. So würden zum Beispiel auch eine Fotos auf Instagram von der Polizei kontrolliert und mit Bildern von Verdächtigen verglichen.

"Die kritische Öffentlichkeit muss ein wachsames Auge drauf haben, dass in der Fotodatenbank wirklich nur Menschen gespeichert werden, die da auch reingehören."
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Aber auch in Deutschland werden Menschen kontrolliert und in Datenbanken gespeichert, die dort überhaupt nicht gespeichert gehören. "Die Polizei ist nicht frei von Fehlern", erklärt Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri auf heise.de. "Wir haben so viele Fälle, in denen die Polizei Leute, bei denen der Verdacht ausgeräumt ist, immer noch in ihrer Kartei führt."

Auch darum ist die Bilddatenbank in den vergangenen drei Jahren um etwa eine Million Fotos angewachsen. In Deutschland wird eine flächendeckende, anlassfreie Massendatenerhebung als schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte betrachtet. Martina Schulte fordert deswegen: "Die kritische Öffentlichkeit muss ein wachsames Auge drauf haben, dass in der Fotodatenbank wirklich nur Menschen gespeichert werden, die da auch reingehören."