Gesetzliche AnsprücheUrlaub! Was uns zusteht
Bei Urlaubsgeld und Urlaubstagen gibt es bei deutschen Arbeitnehmer*innen einige Unterschiede. Wir klären, welche gesetzlichen Regelungen es rund gibt und wie wir im Vergleich zu anderen Ländern abschneiden.
Urlaub steht uns in Deutschland per Gesetz zu – das regelt das Bundesurlaubsgesetz (aus dem Jahr 1963): Wenn ihr fünf Tage pro Woche in Vollzeit arbeitet, habt ihr Anspruch auf 20 Urlaubstage im Jahr. Bei einer Sechstagewoche sind es sogar 24 Tage Urlaub. Das ist die Minimalanzahl an Urlaubstagen, die nicht unterschritten werden darf. Im Schnitt machen Arbeitnehmer*innen in Deutschland knapp 29 Tage Urlaub. Nach oben hin gibt es keine Grenzen – das wird dann im Arbeitsvertrag oder, falls vorhanden, in dem für euch geltenden Tarifvertrag geregelt.
"Im Schnitt machen wir Deutschen knapp 29 Tage Urlaub."
Die Urlaubstage können aber auch immer wieder neu ausgehandelt werden und Teil von Vertragsverhandlungen sein. "Ich kenne jemanden, der hat 52 Urlaubstage", sagt zum Beispiel die Innovationsberaterin und Verhandlungsexpertin Ljubow Chaikevitch.
Urlaubstage als Verhandlungsobjekt
Wenn beim Gehalt nichts zu holen ist, lassen sich vielleicht noch ein paar Urlaubstage heraushandeln. Allerdings muss man natürlich auch die Zeit haben, um sich wirklich so viel Urlaub zu nehmen. Wer einen hohen Workload hat, der oder dem nutzen auch 50 Urlaubstage nichts.
Genau das ist auch das Problem am Modell "Unlimited Vacation", das das Investmentbanking-Unternehmen Goldman Sachs schon mal ausprobiert hat. Das Modell galt nur für die Führungskräfte, sie durften so viel Urlaub machen, wie sie wollten.
"Ich habe Zweifel, ob dieses Mittel [unbegrenzter Urlaubsanspruch] dazu angemessen ist, dass die Leute wirklich mehr Urlaub machen."
Die Idee, dass Menschen mehr Urlaub machen, sei zwar gut, sagt Tabea Scheel, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie. Ob das Mittel aber dazu geeignet ist, dass die Menschen auch tatsächlich mehr Urlaub machen, bezweifelt sie. Gerade, wenn solche Modelle auf freiwilliger Basis erfolgen.
Unbegrenzter Urlaub in der Praxis oft nicht umsetzbar
Auch wenn das natürlich offiziell nirgendwo festgeschrieben ist: In einigen Unternehmen gehört es nach wie vor – quasi unausgesprochen – dazu, dass Menschen, die es dort zu etwas bringen wollen, viele Überstunden machen. Dass man dort – theoretisch – so viel Urlaub machen könnte, wie man will, ändert daran nichts. Und in anderen Branchen wäre so ein Modell schon aus praktischen Gründen gar nicht umsetzbar:
- Wenn sich Erzieher*innen beispielsweise einen Monat frei nehmen, geht das direkt zu Lasten der Kolleg*innen, gerade bei Personalknappheit
- Lehrer*innen sind an die Schulferien gebunden und können nicht flexibel Urlaub nehmen
- Der Personalmangel ist auch großes Thema im Gesundheitswesen: Man kann sich oft nicht einfach so frei nehmen, oft muss man spontan einspringen
Deutschland im europäischen Vergleich eher unten
Was den gesetzlichen Urlaubsanspruch angeht, landet Deutschland im europäischen Vergleich eher unten auf der Liste. Weniger Urlaubsanspruch gibt es nur noch auf Zypern, in Slowenien mit 20 Tagen und in der Türkei mit 14 Tagen Mindestanspruch. An der Spitze der Liste steht Schweden mit 36 gesetzlich zugesicherten Urlaubstagen, Dänemark mit 30 und die Niederlande, Tschechien, Finnland, Frankreich und Norwegen mit 28 Tagen.
"Immerhin gibt es in Deutschland das Recht auf Urlaub. In den USA zum Beispiel gibt es das nicht."
Doch immerhin gibt es in Deutschland das Recht auf Urlaub. In den USA hingegen nicht. Und in Ländern wie Kanada oder Japan haben die Leute gerade mal zehn gesetzlich zugesicherte Urlaubstage im Jahr – in Mexiko sind es sogar nur sechs.
Ein Anspruch auf Urlaubsgeld besteht nicht
Manchmal ist auch die Rede von Urlaubsgeld. Damit sind nicht die Lohn- oder Gehaltsfortzahlungen während der Abwesenheit in den Ferien gemeint, sondern zusätzlicher Betrag, den Arbeitnehmende für den Urlaub erhalten – vergleichbar mit Weihnachtsgeld.
Ob oder wieviel Urlaubsgeld ihr bekommt, liegt ausschließlich am Arbeitgeber. Ein Recht auf Urlaubsgeld existiert in Deutschland nicht. In zahlreichen Arbeits- oder Tarifverträgen ist es festgeschrieben – in sehr vielen aber auch nicht: Nicht mal die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland bekommt überhaupt Urlaubsgeld, sagt Thorsten Schulten, Leiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
"Bei den Beschäftigten mit Tarifvertrag bekommen mehr als zwei Drittel das Urlaubsgeld, bei denen ohne Tarifvertrag ist es gerade mal ein Drittel."
Bei den Beschäftigten mit Tarifvertrag bekämen mehr als zwei Drittel das Urlaubsgeld, bei denen ohne Tarifvertrag sei es gerade mal ein Drittel. Die Chance auf Urlaubsgeld ist in einem Unternehmen mit Tarifvertrag demnach doppelt so hoch wie in einem Unternehmen ohne Tarifvertrag, erklärt Schulten.
Die Hans-Böckler-Stiftung ist gewerkschaftsnah und steht Tarifverträgen generell eher positiv gegenüber. Die Zahlen, auf die sich Schulten beruft, stammen aber aus einer großen jährlichen Befragung und sind aussagekräftig. Demnach bekommen im Schnitt Männer mehr Urlaubsgeld als Frauen. Manche Arbeitgeber sprechen auch gar nicht explizit von Urlaubsgeld, sondern zahlen am Ende des Jahres Boni aus – oder sie rechnen Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bereits mit ins Gehalt ein.