Der Nachlass der DDRTreuhand: Die überforderte Behörde
Sie sollte ostdeutsches Vermögen möglichst geräuschlos in die neue, marktwirtschaftlich orientierte Bundesrepublik überführen: die Treuhand-Anstalt. Doch dreißig Jahre nach dem Ende der DDR fällt die Bilanz höchst unterschiedlich aus. "Gut gemacht", urteilt so mancher Politiker, "eine Katastrophe" hingegen meinen viele Ostdeutsche.
Die beiden Historiker Maria von Loewenich und Rainer Karlsch berichten aus Insidersicht wie es damals wirklich zuging unter den Mitarbeitern der Treuhand, wie sie gearbeitet haben – häufig falsch und schlecht –, aber auch was gut gelaufen ist.
Maria von Loewenich schildert die Zustände in der damaligen Behörde, die über weite Strecken überfordert gewesen ist. Nur sehr bedingt ausgebildete Mitarbeiter und Führungskräfte, hohe Fluktuation und Zeitdruck sind einige der Fakten, über die sie berichtet.
"Die Mitarbeiter hatten keinerlei Erfahrung mit Grundsätzen der Aktenführung wie sie in der westdeutschen öffentlichen Verwaltung galten."
Bis heute wollen vor allem viele Bürgerinnen und Bürger aus den neuen Bundesländern wissen, was "damals wirklich gelaufen ist". Nicht wenige geben der Treuhand die Schuld an der Zerstörung traditionsreicher Strukturen und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes. Vier Millionen Beschäftigte in 8.500 volkseigenen Betrieben waren unmittelbar davon betroffen.
Obendrein hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) das offizielle Versprechen abgegeben, das Chemiedreieck um Bitterfeld unbedingt zu erhalten – verbunden mit großen Zukunftsperspektiven. Angesichts des veralteten und umweltschädlichen Zustandes der Betriebe ein nahezu aussichtsloses Unterfangen.
"Die Vertreter der Treuhand waren nicht sonderlich begeistert, denn sie mussten sich um den Erhalt vieler Arbeitsplätze an schwer zu privatisierenden Standorten kümmern."
Rainer Karlsch lässt für uns noch einmal den Kampf um die gigantischen Leuna-Werke Revue passieren, die viele Jahrzehnte lang die Region geprägt und den Einwohnern ihren verdienten Lohn gesichert hatten. "Chemie gibt Brot, Schönheit und Wohlstand" lautete einst das Motto. In den 1990er-Jahren sorgte dann die Leuna-Affäre, die zu internationalen Verwicklungen führte, für große Schlagzeilen.
Maria von Loewenich ist wissenschaftliche Archivarin beim Bundesarchiv und leitet dort das Projekt zur "Aufarbeitung der Überlieferung der Treuhandanstalt", die heute unter dem Namen "Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben" firmiert. Sie referierte am 6. Juli 2020 zum Thema "Fakten, Fakten, Fakten? Die Akten der Treuhand im Bundesarchiv".
Rainer Karlsch arbeitet als Wirtschafts- und Unternehmenshistoriker am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Sein Auftritt am 20. Juli 2020 stand unter dem Motto "Das Kanzlerversprechen und die Leuna-Affäre".
Organisiert hatte die Veranstaltung das "Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und die "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" in Berlin.