JustizirrtumWenn Menschen unschuldig im Gefängnis sitzen
In den USA saß Robert DuBoise 37 Jahre lang in Haft, obwohl er unschuldig war. Nach fast vier Jahrzehnten hat ein Gericht den US-Amerikaner freigesprochen. Auch in Deutschland sind Menschen zu Unrecht im Gefängnis: Schätzungsweise kommt es zu mehr als 1000 Fällen pro Jahr.
Als der 55-jährige US-Amerikaner Robert DuBoise Ende August 2020 die Hardee Correctional Facility in Florida verlässt, tritt er mit tiefen Augenringen vor die Tore des staatlichen Gefängnisses.
37 Jahre lang war er in Haft. Im Alter von 18 Jahren wurde er für die Vergewaltigung und den Mord an einer 19-Jährigen aus Tampa in Florida verantwortlich gemacht und 1985 zum Tode verurteilt. Drei Jahre später wurde das Urteil abgeändert zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe.
Es vergehen über 30 weitere Jahre, bis eine DNA-Analyse beweist: Robert DuBoise ist nicht der Täter. Mitte September 2020 erklärt ein Gericht den US-Amerikaner offiziell für unschuldig.
"Solche Justizirrtümer sind im Prinzip alltägliche Fälle. Sie kommen in jedem Gerichtsbezirk sicherlich nicht täglich vor, aber auf jeden Fall mehrmals im Monat."
Fälle wie die von Robert DuBoise kommen in den USA immer wieder vor. Und auch in Deutschland werden Menschen für Taten verurteilt, die sie nicht begangen haben, erklärt Strafverteidiger Udo Vetter. Kriminologische Studien würden immer wieder zu dem Ergebnis kommen, dass es mindestens zu mehr als tausend Fällen pro Jahr komme, bei denen Menschen unschuldig im Gefängnis landen. Oft gingen die Geschichten in der Öffentlichkeit aber unter.
Fehler, die Menschen die Freiheit nehmen
Udo Vetter erklärt sich solche Justizfehler unter anderem durch eine Betriebsblindheit seitens der Staatsanwältinnen und Richter. "Auch wenn die Justiz gerne den Anschein gibt, als wäre sie über Zweifel erhaben und würde ganz weise Recht sprechen: Nein, auch Richter machen Fehler. Sie machen schwere Fehler und berauben Menschen zu Unrecht ihrer Freiheit", so der Strafverteidiger.
"Richter sind ja auch nur Menschen, und auch Staatsanwälte sind nur Menschen. In der Regel ist das so, dass da eine gewisse Betriebsblindheit herrscht."
Ein Beispiel: 2005 wurde eine Frau in Berlin lebenslänglich wegen Mordes an ihrem Vater verurteilt. Vorsätzliche Brandstiftung lautete das Gerichtsurteil. Drei Jahre später wurde die Frau freigesprochen, weil sich das Brandgutachten als fehlerhaft herausstellte.
In anderen Fällen verändern neue Analysetechniken die Beweislage: 2006 beispielsweise wurde ein Mann in Neuruppin inhaftiert, weil er den Liebhaber seiner Frau erstochen haben sollte. Unter anderem eine neue DNA-Analyse bewies aber 2010 seine Unschuld.
25 Euro pro Tag Entschädigung
Stellt sich heraus, dass Menschen unschuldig im Gefängnis waren, haben sie in Deutschland Anspruch auf eine Haftentschädigung. Die beträgt 25 Euro pro Tag. Im Jahr sind das 9125 Euro.
Den Einkommensverlust, den viele Betroffene durch ihre Zeit in Haft erlitten haben, gleicht das oft nicht aus. "Man muss ganz klar sagen: Die Haftentschädigung ist eine peinlich niedrige Entschädigung, die hier von Gesetzes wegen als Pauschale erst mal gezahlt wird", sagt Udo Vetter.
Fehlende staatliche Hilfe
Sollten Betroffene vor Gericht beweisen können, dass ihr Einkommen ohne ihre Inhaftierung wesentlich höher ausgefallen wäre, haben sie Chancen auf ein größere Summe Schmerzensgeld. Millionenbeträge, wie sie etwa in den USA in ähnlichen Fällen gezahlt werden, sind in Deutschland aber unwahrscheinlich. Auch gibt es für Betroffene oft kein staatliches Netzwerk für psychologische Hilfsangebote.