GenitalverstümmelungAufklärung der Mütter zum Schutz der Mädchen
Terre des Femmes berichtet am 18. Juli, dass immer mehr Mädchen in Deutschland von Genitalverstümmelung bedroht seien. Wie viele es tatsächlich sind, ist schwer zu sagen, weil die Dunkelziffer nur geschätzt werden kann. In Deutschland setzt das Desert Flower Center vor allem auf die Aufklärung der Mütter.
Die Chirurgin Cornelia Strunz arbeitet in Berlin beim Desert Flower Center Waldfriede und behandelt Frauen, die "beschnitten" sind. Das Beratungs- und Behandlungszentrum wurde von Spezialisten im Bereich Darm- und Beckenbodenchirurgie gegründet und befindet sich im Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf.
Dort hat die Chirurgin in den vergangenen vier Jahren, seitdem das Zentrum besteht, zunehmend mehr Frauen behandelt. Ob das aber mit der gestiegenen Bekanntheit des Zentrums oder damit zusammenhängt, dass mehr Asylsuchende oder geflüchtete Frauen aus den Ländern wie Somalia kommen, wo mehr als 90 Prozent der Frauen und Mädchen betroffen sind, kann Cornelia Strunz nicht beurteilen.
Hohe Dunkelziffer
Terre des Femmes sagt, dass rund 13.000 Mädchen in Deutschland von Genitalverstümmelung bedroht sind – ein Anstieg um 4000 gegenüber dem Vorjahr. Tatsächlich gibt es eine sehr hohe Dunkelziffer, erklärt die Chirurgin, manche Schätzungen gehen von 50.000 oder mehr aus. "Es ist schwierig, eine richtige Aussage zu treffen", erklärt Cornelia Strunz.
"Die Mädchen gehen ja teilweise in den Heimatländern freiwillig zur Beschneidung, weil sie einfach dazu gehören wollen. Das ist ja das Schlimme, dass sie im Grunde genommen vorher gar nicht wissen, was ihnen da für Leid angetan wird."
Zu Cornelia Strunz kommen Frauen, die teilweise schon lange in Deutschland leben, dementsprechend auch gut Deutsch sprechen, aber auch Frauen und Mädchen, die erst seit kurzer Zeit hier sind. Die Frauen und Mädchen sind alle im Ausland beschnitten worden. Fälle von Genitalverstümmelungen, die in Deutschland stattgefunden haben, sind ihr nicht bekannt.
Wie Frauen verstümmelt werden
Bei einer Genitalverstümmelung wird den Frauen und Mädchen die Klitorisvorhaut entfernt oder die Klitoris ganz amputiert. Schamlippen werden teilweise oder ganz herausgeschnitten, Wundränder zusammengenäht, die Oberschenkel der Mädchen über Wochen zusammengebunden, damit die Haut über der Vaginalöffnung zusammenwächst. Bei letzterem wird ihnen ein Fremdkörper eingeführt, damit für Urin und Menstruationsblut ein kleine Öffnung bleibt. Für späteren sexuellen Verkehr müssen sie wieder aufgeschnitten werden.
"Alle Frauen, die sich bisher bei mir vorgestellt haben, sind in frühester Kindheit beschnitten worden - im Alter zwischen vier und 14 Jahren."
Die Frauen in Cornelia Strunz Beratung klagen über starke Schmerzen beim Wasserlassen oder der Menstruation. Sie untersucht die Frauen und berät sie über mögliche Operationen. Zu dem Zentrum gehört auch eine Selbsthilfegruppe, in der sich die Frauen austauschen können und operierte Frauen über ihre Geschichte sprechen.
"Viele Frauen, die bei uns operiert worden sind, bekommen auch Kinder. Wenn sie Mädchen gebären, erkläre ich denen das jedes Mal, dass sie ihr Kind nicht beschneiden lassen dürfen."
In der Selbsthilfegruppe geht es vor allem auch um Aufklärung, damit Mütter ihre eigenen Kinder unversehrt lassen. Denn die Praktik der Genitalverstümmelung ist tief in den Kulturen verwurzelt. Teilweise gilt es als Initiationsritual beim Übergang eines Mädchens zur erwachsenen Frau.
Den Müttern, die Cornelia Strunz behandelt hat und die später Kinder bekommen, erklärt sie, dass Genitalverstümmelung einen Straftatbestand darstellt. "Wenn sie ihren Kindern hier das gleiche Leid antun würden, müssten sie sofort ausreisen", sagt die Chirurgin.