Gender-DebatteFrauen und Männer erfahren Rassismus unterschiedlich
Schwarze Frauen und Frauen of Color erfahren Rassismus in Teilen anders als schwarze Männer. Aber auch die Art des Rassismus von weißen Frauen unterscheidet sich von der weißer Männer, erklärt Josephine Apraku vom Institut für diskriminierungsfreie Bildung.
Josephine Apraku hat das Institut für diskriminierungsfreie Bildung gegründet und schaut nicht nur als Expertin auf die verschiedenen Formen von Rassismus. Als schwarze Deutsche hat sie selbst Rassismuserfahrungen gemacht.
Es gibt Formen von Rassismus, die Schwarze Menschen beider Geschlechter gleich stark treffen wie beim Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, sagt Josephine Apraku. Im Bereich Bildung würden beispielsweise schwarze Schülerinnen und Schüler bei gleicher Leistung schlechter benotet als weiße Schülerinnen.
"Rassismus ist vereinfacht ausgedrückt, und das gilt für jede Art der Diskriminierung, eine Art Steuerung des Zugangs von Ressourcen."
Menschen, die privilegiert sind, haben einen vereinfachten Zugang zu Ressourcen. In Deutschland sind das eben Weiße. Die Farben Weiß und Schwarz verweisen auf die Machtstrukturen, beide Farben sind in Bezug auf Menschen nur deshalb bedeutsam, weil es Rassismus gibt, sagt Josephine Apraku.
Rassismus und Sexismus
Beide Geschlechter werden auch stark sexualisiert, nur falle das bei schwarzen Männern und schwarzen Frauen unterschiedlich aus. Bei schwarzen Frauen und Frauen of Color drücke sich die Sexismus-Komponente darin aus, dass sie ständig berührt werden "wie der Griff ins lockige Haar". Das sei eine physische Übergriffigkeit im Alltäglichen, als ob die Grenzüberschreitung legitim sei.
Schwarze Männer seien in Bezug auf Sexismus privilegiert, aber auch gegenüber ihnen gebe es eine sexualisierte Übergriffigkeit. Allerdings sei bei ihnen das Vorurteil, von ihnen gehe Gewalt oder Kriminalität per se aus, viel stärker.
Rassismus fällt unterschiedlich aus
Pauschal könne man aber nicht sagen, dass schwarze Männer stärker von Rassismus betroffen seien als schwarze Frauen. "Die Betroffenheit fällt teilweise unterschiedlich aus", sagt Josephine Apraku.
Sie erklärt das an ihrem eigenen Beispiel: Sie hat einen hohen Bildungsgrad und die deutsche Staatsbürgerschaft. Den Rassismus, den sie erfährt, sei ein ganz anderer, als ihn eine geflüchtete schwarze Frau erfährt. "Was wir mitdenken müssen, ist die unterschiedliche Betroffenheit durch mehrere Formen der Diskriminierung", sagt Josephine Apraku.
Mit Blick auf die aktuelle Protestbewegung und die mediale Berichterstattung gewinnt Josephine Apraku den Eindruck, dass schwarze Männer und die Gewalt, die sie erfahren, mehr im Fokus stehe als beispielsweise die Polizeigewalt, die schwarze Frauen erleben.
Männer im Fokus der Rassismusdebatten
Genauso steht der Rassismus von weißen Männern stärker im Fokus, obwohl weiße Frauen nicht weniger rassistisch seien. Der Unterschied liege darin, dass weiße Frauen einen geringeren Zugang zu Macht haben, erklärt Josephine Apraku.
Als Beispiel nennt sie die Suffragetten-Bewegung und das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts in den USA, das den weißen Frauen zugesprochen wurde. Die schwarzen Frauen hätten damals ebenfalls das Wahlrecht eingefordert, sie seien aber irgendwann nicht mehr von den weißen Frauen unterstützt worden, weil diese fürchteten, weniger Erfolg mit ihren Forderungen zu haben, wenn sie die der schwarzen Frauen weiter mitunterstützen.
Rassismus Weißer Frauen
In Deutschland würden weiße Frauen häufig eine Abwehrhaltung bei Rassismusthemen einnehmen, weil sie selbst Diskriminierungserfahrungen machen. Josephine Apraku nennt das Beispiel, dass schwarze Menschen sich nachts nicht sicher alleine auf der Straße bewegen können.
Weiße Frauen kämen dann schnell mit dem vermeintlichen Argument, das sei kein individueller Rassismus, weil sie sich ebenfalls nachts und alleine Gefahren ausgesetzt sehen. Josephine Apraku erklärt, dass sie Gefahren nicht wegen ihrer Hautfarbe, sondern aufgrund ihres Geschlechts ausgesetzt seien.
"Rassismus bei weißen Frauen funktioniert häufig darüber, dass sie sich auf ihre eigene Marginalisierungserfahrung beziehen."
Ein anderes Beispiel für Rassismus weißer Frauen findet Josephine Apraku in der Feminismus-Bewegung, in der es meist nur um die Gleichberechtigung der weißen Frau mit dem weißen Mann gehe, der in einer guten Machtposition ist.
Deutlich stellt Josephine Apraku heraus, dass es diesen meist privilegierten Frauen nicht um eine wirkliche Gleichberechtigung aller Frauen, also egal welcher sozialen Herkunft, Ethnien oder Bildungsniveau, gehe. Das sei aber den allerwenigsten weißen Frauen überhaupt bewusst.
"Das ist kein Einsatz für reale Gleichberechtigung aller Frauen, sondern das ist eine Gleichstellung von weißen Frauen und Männern in einem rassistischen System."
Was weißen Frauen wie Männern gleich ist in ihrer rassistischen Denkweise, ist das Beibehalten ihrer Privilegien und ihres Zugangs zu allen Ressourcen, sagt Josephine Apraku. Was den Unterschied zwischen Männern und Frauen mache, sei, dass die Männer diese Privilegien nicht gegen eine andere Gruppe verteidigen müssten.