GehirnSuche nach dem Reset-Knopf für Gedanken-Müll
Wir denken immerzu. Logisch, dass da auch viel Müll dabei ist. Zum Beispiel schlechte Erinnerungen, negative Gefühle, Gedanken an Probleme oder die Arbeit – Dinge, die wir gerne loswerden würden. Aber geht das, einfach Daten in unserem Kopf zu löschen? Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Rebekka Endler hat nach einem Reset-Button im Hirn gesucht.
Wäre das nicht praktisch: Ein Reset Button für das Gehirn? So, wie wir auch einen Computer oder ein Smartphone auf die Werkseinstellungen zurücksetzen können. Alle Erinnerungen, den ganzen Gehirn-Müll – über den wir eh keinen Überblick mehr haben – einfach löschen.
"Den Knopf gibt es leider nicht, genauso wenig wie es eine Speichern- oder eine Löschen-Taste oder Rückgängig-Machen oder sowas gibt. Das die schlechte Nachricht des Tages."
Maren Urner ist Professorin für Medienpsychologie und Neurowissenschaftlerin. Ihr Spezialgebiet: Gehirnfunktionen und das, was wir damit alles anstellen können. Sie sagt, so einen Knopf, mit dem wir alles löschen, den gibt es nicht. Leider.
Emotionen bleiben besser hängen
Der Gedanke, selektiv Erinnerungen löschen oder überschreiben zu können, beschäftigt uns schon lange, zum Beispiel in der Literatur oder im Film "Vergiss mein nicht". Im Film wird Ruhe und Frieden versprochen. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Vor allem hat unser Gedächtnis, gefüllt mit unseren Erinnerungen, auch eine lebenserhaltende Funktion, erklärt Maren Urner. Wir erinnern uns zum Beispiel an Fehler, was uns daran hindert, sie erneut zu machen. Oder wir erinnern uns an Gefahren und können sie beim nächsten Mal besser einschätzen.
"Als Faustregel können wir uns vielleicht merken, je emotionaler etwas ist, umso besser bleibt es hängen. Umso einfacher und intensiver speichern wir das ab."
Je emotionaler etwas ist, desto besser erinnern wir uns. Zunächst wird dabei nicht unterschieden zwischen positiven oder negativen Ereignissen, sondern rein nach unserer emotionalen Antwort: Wer alt genug ist, erinnert sich an 9/11, was sie oder er gemacht und gefühlt hat.
Genauso gut können wir uns an unseren 18. Geburtstag oder an den ersten Kuss erinnern. Allerdings erinnert sich Rebekka zum Beispiel auch an wenig emotionale und eher unwichtige Dinge. Etwa daran, in welchem Gang und welchem Fach ein bestimmtes Regal in der Filiale eines schwedischen Möbelhauses gelagert ist. "Das ist auf ewig in mein Gedächtnis gemeißelt", sagt sie. Mit Passwörtern hingegen tut sie sich schon schwerer.
Im Laufe der Evolution waren Zahlen bisher weniger wichtig
"Ich nenne das mal liebevoll unser Steinzeit-Hirn", sagt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner. Wo was ist, sei eben im Lauf der Menschheitsgeschichte die wesentlich wichtigere Info gewesen – im Vergleich zu Sonderzeichen und Zahlen in möglichst komplizierten Zusammenhängen.
Geräusche, Gerüche, generell Sinneseindrücke in einer bestimmten Umgebung können dazu beitragen, dass wir uns leichter und besser daran erinnern, was wir an einem Ort in der Vergangenheit erlebt haben.
Auch das Vergessen ist wichtig
Und damit stellt sich dann die genau umgekehrte Frage: Warum vergessen wir überhaupt? Maren Urner sagt: "Dieses Vergessen ist auch ein Schutzmechanismus und eine Art Effizienzsache. Der Sinn und Zweck ist erstmal einfach zu überleben. Dafür ist es einfach nicht das Beste, sich jedes Detail zu merken."
Die gute Nachricht ist: Wir können lernen, dieses Erinnern und Vergessen bis zu einem gewissen Grad selber zu steuern. Damit das gelingt empfiehlt Maren Urner:
- Wenn wir etwas vergessen wollen, dann sollten wir möglichst wenig darüber nachdenken. Denn durch Wiederholungen prägen wir uns besser Dinge ein.
- Das braucht Training, wie fast alles im Gehirn.
- Wenn Gedanken kommen, dann können wir uns bewusst überlegen: Wie weit möchte ich darüber nachdenken oder möchte ich das vielleicht gerade nicht, wenn ich weiß, Wiederholung sorgt dafür, dass es noch besser abgespeichert wird?
Es ist, wie so oft eine Frage des richtigen Maßes. Nicht nur als Individuum, das Gleiche gilt auch für uns als Gesellschaft, können wir uns genau überlegen, was wir eigentlich auf den kollektiven Müllhaufen des Vergessens schmeißen und was wir an unliebsamen Erinnerungen behalten müssen, um zu vermeiden, dass schlimme Fehler sich wiederholen. Und das, so sagt Maren Urner, ist auch eine Frage unsers Informationskonsums:
"Jede Information, die wir wahrnehmen – und da sind wir wieder bei den Gedanken – ist eine Information, auch wenn sie sozusagen nur mental stattfindet, verändert sie unser Gehirn."
Bereits durch das Gespräch mit einer einzigen anderen Person, bekommt unser Gehirn neue Reize und verändert sich dadurch. "Genauso funktioniert das natürlich größer gedacht auch auf gesellschaftlicher Ebene", sagt Maren Urner. Deshalb sollte wir uns gut überlegen: Welche Informationen will ich konsumieren, welche lieber nicht? Oder als Gesellschaft: Was behalten wir als Mahnmal, was kann getrost auf den Müll?