Ganz schön hässlichWie wir mit Innenstadt-Architektur aus den 60ern umgehen
Es gibt sie schon, die attraktiven Innenstädte in Deutschland. Aber es gibt auch einfach sehr viele sehr hässliche mit viel Beton. Aber wieso ist das eigentlich so? Und müssen wir damit jetzt für immer leben oder ändert sich daran etwas?
Ein Beispiel für eine nicht so schöne Ecke in einer deutschen Großstadt: der Kölner Barbarossaplatz. Es ist dort laut, dreckig und grau. Ein typischer Verkehrsknotenpunkt mit mehreren Fahrspuren und Fußgängerüberwegen umringt von hohen Gebäuden. Permanent fahren hier Straßenbahnen und Autos über die Kreuzung. Und bis auf ein paar einzelne Bäume und einige trostlose Gaffiti sieht man hier vor allem Asphalt und Beton.
Bruno Knopp bietet Stadtführungen in Köln an. Eine heißt: "Hübsch hässlich habt ihr‘s hier! Kölns schönste Bausünden." Und zu dieser Stadtführung gehört auch der Barbarossaplatz. Dort befindet sich beispielsweise das ehemalige Verwaltungsgebäude der Köln-Bonner Eisenbahnen. Mittlerweile sind dort unter anderem ein Fast Food Restaurant, ein Imbiss und ein Hostel für Backpacker. Ein typischer Betonklotz.
Bauboom in den 50er- bis 70er-Jahren
Solche Gebäude und Ecken gibt es in vielen Innenstädten. Ein Grund ist die Nachkriegsarchitektur. Damals nach dem zweiten Weltkrieg liegen viele Städte in Trümmern. Also werden in den 50er- bis 70er-Jahren ohne Ende neue Gebäude hochgezogen: Kaufhäuser, Wohnhäuser, Hochschulen, Kirchen oder Parkhäuser.
Dass alles aus Beton gebaut wurde, lag zum einen daran, dass es günstig war. Zum anderen galten diese neuen Betonbauten wegen ihrer Funktionalität teilweise tatsächlich als modern und als fortschrittlich. Beton war damals in Mode, erklärt Wolfgang Sonne, Professor für Geschichte und Theorie der Architektur an der TU Dortmund.
"Der Beton-Brut wurde auch vor allen Dingen deswegen geschätzt, weil es ein ehrliches Bauen war. Man hat das Material gesehen, aus dem konstruiert worden ist."
Die Hässlichkeit liegt aber nicht nur am Beton. Bis in die 50er-Jahre sah der Barbarossaplatz noch anders aus. Da war dort ein Kreisverkehr mit Grünstreifen, Bäumen und einem Springbrunnen in der Mitte.
Das musste alles weg, denn die Stadtplanerinnen und -planer wollten die Städte auto- und verkehrsgerechter bauen. Es hat also auch mit Funktionalität zu tun, erklärt der Stadtführer Bruno Knopp.
"Die wollten den Leuten vorschreiben, wo sie was zu machen haben. Leben in den Vorstädten, arbeiten und schuften in Innenstädten."
Damals dacht man noch, so würden die Städte der Zukunft aussehen. Und irgendwann kamen dann auch immer mehr Einkaufsmöglichkeiten dazu. Wolfgang Sonne sagt, richtig absurd in ihrer Monofunktionalität seien eigentlich die großen Kaufhäuser, die in den 60er-Jahren gebaut wurden: riesige Gebäude ohne Fenster und ohne Licht.
"Es war überhaupt die dümmste Idee, mitten in die Innenstadt vier-, fünf-, sechsgeschossige Gebäude ohne Fenster zu setzen. Eigentlich hätte das nicht passieren dürfen."
Kaufhof und Co.: Vom Betonklotz zum hippen Gebäude
Inzwischen machen diese Kaufhäuser wie Karstadt oder Kaufhof nach und nach zu. Wolfgang Sonne ist sich aber sicher, dass diese Gebäude das Potenzial haben, dadurch deutlich schöner zu werden: "Das sind Umbauprojekte, die wir jetzt haben, und dann muss in die Obergeschosse ja Licht rein. Die ganze Fassade muss weg und es kann eine neue Fassade gemacht werden, die dann Fensteröffnungen hat."
Oldenburg machts vor
Wie das gehen kann, zeigt die Stadt Oldenburg. Ein Investorenkollektiv hat aus dem alten Betonklotz, in dem früher das Kaufhaus Hertie war, ein modernes Gebäude mit Glasfassade gemacht. Im Erdgeschoss ist ein Food-Court mit Spezialitäten aus der Region. In den anderen Etagen gibt es zum Beispiel Co-Working Spaces oder Meetingräume. Die werden auch mal zum Yoga-Studio umfunktioniert.
Auch wenn es sehr große Gebäude sind, machen die alten Kaufhäuser nur einen kleinen Teil in den Städten aus. Wolfgang Sonne glaubt aber, dass sich in vielen Städten in Zukunft generell etwas tun wird. "Ich erlebe in vielen Städten, dass es zum Beispiel einen Masterplan für die Plätze gibt, dass es Gestaltungssatzungen gibt für die öffentlichen Bereiche."
"Das Problem ist erkannt, es tut sich was, aber es wird natürlich nicht flächendeckend sein."
Auch für den Barbarossaplatz in Köln gibt es schon lose Ideen, wie der Platz verschönert werden könnte. Die erinnern sehr an das, wie es da vor 100 Jahren ausgesehen hat: wieder mit Kreisverkehr und Grünflächen. Aber das würde etwa 30 bis 50 Jahre dauern. Von heute auf morgen lassen sich die Bausünden nicht rückgängig machen. Und mit manchen müssen wir wahrscheinlich einfach leben.