Führerschein, Studium, SexWenn wir late to the Party sind
Betti ist 31 Jahre alt und hat gerade etwas mit einigen Teenagern gemeinsam: büffeln für den Führerschein. Damit ist sie später dran als viele andere. Psychologe Roscoe Araujo erklärt, wie wir uns davon lösen können, uns mit anderen zu vergleichen.
In ihrem Freundeskreis ist es mittlerweile ein Running Gag: Betti und der Führerschein. Drei Mal hat die 31-Jährige schon versucht, den Führerschein zu machen, drei Mal hat es nicht funktioniert. Jetzt – beim vierten Anlauf – ist sie zuversichtlich.
Mit 31 ist sie ernster bei der Sache
Das erste Mal, als sie den Führerschein machen wollte, war Betti 17 Jahre alt. Damals hat sie das Thema nicht ernst genug genommen, sagt sie, und ihre Theoriestunden sind verfallen. Heute möchte sie wirklich, dass sie bald Autofahren kann.
Für sie ist der Führerschein zwar kein so großes Lebensziel, wie beispielsweise das Abitur zu machen. Aber in bestimmten Situationen ist es praktisch, ein Auto fahren zu können, sagt Betti. Wenn ihr Partner zum Beispiel krank ist, könnte sie ihn dann zu einer Ärztin fahren. Außerdem wird ihr Führerschein durch die drei missglückten Anläufe davor langsam echt teuer. Es wird also Zeit, das Thema Führerschein bald abzuschließen, findet sie.
"Ich habe noch zwei, drei Freunde und Freundinnen, die keinen Führerschein haben. Aber ansonsten haben die meisten in meinem Freundeskreis schon einen."
Den eigenen Weg finden
Der Führerschein ist ein Beispiel dafür, dass es manchmal einen gewissen gesellschaftlichen Druck gibt, bestimmte Ziele zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen. Die erste Beziehung, das erste Mal Sex oder der erste Job können andere Beispiel sein, wo wir so einen Druck von außen wahrnehmen. Manchmal kann der so groß werden, dass er uns belastet, erklärt Psychologe Roscoe Araujo.
"Die sozialen Medien machen noch mal deutlich transparenter, was andere vielleicht für tolle Sachen erreichen, die in einem vergleichbaren Alter sind. Das erhöht sicherlich den Druck."
Er begleitet Menschen auch als Coach und Mentor auf ihrem beruflichen Weg. Er erinnert sich an ein Gespräch mit einer Klientin, die mit Anfang 30 noch im Studium gesteckt hat. Bei ihr hat er wahrgenommen, wie groß der Druck für sie war, in ihrem ersten Job zu arbeiten, statt weiter Studentin zu sein. "Denn die anderen Personen, mit denen man mal gestartet ist, sind dann oft schon einen Schritt weiter. Das hat die Person, denke ich, schon ein ganzes Stück mitgenommen", sagt Roscoe Araujo. Social Media kann es zusätzlich befeuern, dass wir uns mit anderen vergleichen und uns dadurch noch mehr Druck machen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Eigene Erfolge sehen und feiern
In so einem Fall sollten wir den Blick, der im Außen ist, wieder auf uns richten und anerkennen, dass es sehr unterschiedliche Lebensläufe gibt, erklärt der Psychologe. Sie alle sind gleich wertvoll. "Das heißt, dass ich mich selber akzeptiere, meine eigenen Erfolge mehr in den Vordergrund rücke und nicht nur auf das höre, was andere mir sagen, was nicht so gut gelaufen ist", sagt Roscoe Araujo. Diese Haltung hält er für entscheidend.
Wenn wir diesen Druck verspüren, kann es helfen, mit jemandem darüber zu sprechen. Das kann zum Beispiel eine gute Freundin sein, der wir vertrauen und von der keine Erwartungshaltung ausgeht. Sport oder Meditation können auch ein Ventil sein, dass wir einen entspannten Umgang mit uns finden und uns den Druck nehmen.
Im Podcast geht es um weitere Themen, die uns Druck machen können. Theologe und Dozent Yannik Ehmer erzählt zum Beispiel von dem Druck, den queere Menschen teilweise wahrnehmen, wenn es um ihr Coming-out geht. Klickt dafür oben auf den Play-Button.