Vanessa Vu über Ostasiens Erfolge gegen Corona"Die Länder haben aus vergangenen Pandemien gelernt"
Eine einzige neue Corona-Infektion meldete Vietnam am Montag in einer Eilmeldung – die erste Neuansteckung seit drei Monaten, Taiwan ist praktisch Corona-frei, und auch in Japan oder Südkorea sind die Zahlen deutlich niedriger als hier. Wir sollten in Sachen Pandemie-Bekämpfung von ostasiatischen Ländern lernen, sagt die Journalistin Vanessa Vu.
In Deutschland ist die Gastronomie geschlossen, es gibt keine Theateraufführungen, kein Kino und kein Club. Während die Menschen hierzulande die Adventszeit im Teil-Lockdown verbringen, feiern die Menschen in Taiwan zusammen auf Festivals. Auch in Japan und Südkorea sind die Zahlen deutlich niedriger als hier.
Normaler Alltag in Südkorea, Japan und Vietnam
Der Alltag in diesen Ländern geht ganz normal weiter, erzählt die Journalistin Vanessa Vu, die auch den Podcast Rice and Shine hostet. Sie selbst hat Familie in Vietnam und erzählt im Interview zum Beispiel von ihrem Onkel, der dort vor zwei Tagen erst ein neues Geschäft eröffnet hat, das "gestopft voll" gewesen sei.
"Auf den Straßen soll man zwar noch Masken tragen, aber ansonsten: Karaoke-Bars, Konzerte, volle Restaurants... in Taiwan gab es eine Gay-Pride mit 130.000 Teilnehmenden."
Große Veranstaltungen sind wieder möglich, erzählt Vanessa Vu, selbst die Fußballstadien in Südkorea beispielsweise sind wieder voll: "Man merkt nur noch sehr wenig von Corona", beschreibt die Journalistin. Nur an den Flughäfen sei die Pandemie noch zu spüren - hier werde jede einzelne Einreise streng kontrolliert.
Ostasiatische Länder haben aus früheren Pandemien gelernt
Warum klappt das so viel besser als bei uns? Diese Länder haben stark aus vergangenen Pandemien gelernt, erklärt Vanessa Vu, beispielsweise 2002 und 2003 durch Sars. Dadurch hätten Maßnahmen und Fahrplankataloge quasi schon bereitgestanden, die eigentlich nur noch angewendet werden mussten.
Deshalb konnten sie sehr schnell reagieren, sagt die Journalistin. In Taiwan beispielsweise seien bereits Ende Dezember, als das neuartige Virus noch gar nicht richtig bestätigt war, erste Sicherheits- und Gesundheits-Screenings am Flughafen durchgeführt worden.
"Diese Länder unterscheiden sich auch dahingehend, dass sie eine echte Quarantäne haben – anders als bei uns."
Außerdem gebe es in diesen Ländern anders als bei uns eine echte Quarantäne: "Das ist anders als bei uns, wo man gebeten wird, doch Zuhause zu bleiben bis das Testergebnis kommt. Dort wird man in gesonderte Einrichtungen gebracht." Meistens sind das ganz normale Hotelzimmer, erklärt Vanessa Vu, weil die Hotels aufgrund des fehlenden Tourismus leer stehen.
Auch zu Hause sei Quarantäne möglich. Da würde mann dann aber digital überwacht, so dass man nicht einfach "ausbüchsen" könne.
Zentral: Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger
Ein weiterer Unterschied: die Haltung der Bürgerinnen und Bürger. Das Engagement ging von Projekten wie Händewasch-Challenges auf Tiktok bis hin zu App-Entwicklungen in der Crowd, erzählt die Podcasterin. Es herrschte fast eine Freude an der Pandemie-Bekämpfung – im Gegensatz zu Deutschland.
"Das war eine gewisse Freude in dieser Pandemie-Bekämpfung – während hier alle mit zusammengebissenen Zähnen sitzen und schauen, dass alles vorbei geht."
Häufig wird auch die Vermutung geäußert, der Erfolg einer Pandemie-Bekämpfung hänge von kulturellen Faktoren ab – Spanier oder Franzosen etwa küssten sich häufiger, Menschen in Asien wären obrigkeitshöriger, um mal zwei der gängigen Annahmen respektive Klischees zu bemühen.
Politische Faktoren wichtiger als kulturelle Gründe
Vanessa Vu will das so nicht gelten lassen. Sie findet diese Erklärung sogar problematisch: "Natürlich spielen auch kulturelle Faktoren irgendwo mit rein. Aber das übersieht ein bisschen den Faktor, dass diese Staaten aus früheren Epidemien gelernt haben." Es waren gezielte politische Prozesse und Entscheidungen der letzten Jahre gewesen, die sich jetzt auszahlen, ist sie sich sicher.
"Das sind richtige politische Prozesse und Entscheidungen, die in den letzten Jahren getroffen wurden, die sich jetzt einfach auszahlen."
Für Taiwan etwa erklärt Vanessa Vu anhand von Beispielen, dass man gar nicht von einem obrigkeitshörigen Volk sprechen könne. Überhaupt gelte es zu bedenken, dass Asien sehr groß und sehr divers sei: "Man darf die nicht alle über einen Kamm scheren."
Corona-Fakenews werden unterdrückt
In den autoritäreren Staaten würden Fakenews - ebenso wie politisch unliebsame Nachrichten - durch staatliche Kontrollen sehr stark bekämpft. Und das gelte aktuell nun auch für Fakenews im Bereich Corona und Covid-19. Eine Leugner-Bewegung wie in der westlichen Welt gibt es hier nicht, sagt die Podcasterin.
"Da gibt es eher heiteres Gelächter, wenn ich erzähle, dass hier Leute massenhaft gegen Masken auf die Straße gehen und sie dann auch nicht tragen, weil sie es als Zumutung empfinden, sich ab und zu so ein Stück Stoff aufzusetzen."
Allerdings, so sagt Vanessa Vu, habe sie von ihren eigenen Verwandten und Bekannten in ganz Ostasien, auch ohne da eine staatliche Verfolgung beobachten zu können, nie so etwas gehört. Die reagierten eher erheitert auf ihre Erzählungen von Masken-Gegnern und Verschwörungs-Mystikern – anders als die Journalistin selbst, die diese Phänomene eher traurig findet.