FreundschaftWenn wir unterschiedliche politische Meinungen haben
Wie viel Politik hält eine Freundschaft aus, wenn Ansichten auseinandergehen? Darüber sprechen wir mit Daria und Konrad. Wie wir mit Uneinigkeiten umgehen können, erklärt die Sozialpsychologin Nicole Harth.
Über politische Themen sprechen die Freund*innen Daria und Konrad besonders gerne. Zuletzt ging es bei ihnen um Kommunalpolitik und auch um Wirtschaftsförderung in Deutschland.
Sie CDU-Mitglied, er Grünen-Wähler
Oft blicken die beiden aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Themen. Daria ist Mitglied in der CDU, die sie aktuell auch im Wahlkampf unterstützt. Der Jungen Union (JU), der Jugendorganisation der Partei, ist sie schon als Teenie beigetreten. Gerade sitzt Daria auch im Kreisvorstand der JU Jena und im Landesvorstand der JU Thüringen. Ihr Freund Konrad ist auch politisch aktiv, aber parteilos. Konrad ist Grünen-Wähler und war für zwei Jahre Mitglied im Jugendparlament der Stadt Jena. Aktuell studiert er in Leipzig evangelische Theologie.
Zuhören, Augenhöhe, Offenheit
Wenn Daria und Konrad über so ein Thema wie die Wirtschaftsförderung in Deutschland sprechen, dann ufert ihre Diskussion gerne auch mal aus, erzählen sie. Das Thema sorgt aufgrund ihrer unterschiedlichen Ansichten für Reibung zwischen ihnen. Aber: Das finden die beiden gut. Vor einer Diskussion schrecken sie nicht zurück – es macht ihnen Spaß. "Ich schätze die Diskussion mit Konrad sehr, weil er sich mit anderen Themen befasst als ich", sagt Daria. Sie hält es für wichtig, sich auch andere Meinungen anzuhören. Daria sieht in dem Austausch die Möglichkeit, ihren Blick zu weiten.
"Ich finde, es ist wichtig, sich auch andere Meinungen und Interessen anzuhören."
Wenn ihr Gegenüber dann noch gute Argumente liefert, kann sie die andere Perspektive auch gut annehmen, ihren Standpunkt überdenken und ihre Meinung zu dem Thema ändern. Konrad geht es da ähnlich. "Mir hilft es total, in verschiedenen Debatten eine Position zu kennen, die nicht meine ist, nicht aus meinem politischen Lager kommt", sagt er.
Vor allem aber finden ihre Diskussionen auf Augenhöhe statt, und sie haben für beide viel mit Wertschätzung zu tun. Das bedeutet für Daria und Konrad auch, dass sie nicht nachtragend sind und sie sich einig sind, dass ein Diskussionsthema ihre Freundschaft nicht überschatten soll. Wenn sie ein Gespräch beenden, dann ist das Thema für sie an der Stelle abgeschlossen. Das hält Daria für besonders wichtig.
"Ich glaube, das ist auch ein Lernprozess in einer Freundschaft, den Daria und ich auch durchgemacht haben."
Daria hat aber auch die Erfahrung gemacht, dass eine Freundschaft politische Meinungsunterschiede nicht überbrücken kann. Als sie mit 14 Jahren der Jungen Union beigetreten ist, hat sie manche Freund*innen dadurch verloren, erzählt sie.
Politische Themen in einer Freundschaft komplett auszuklammern, weil man sich uneinig ist, das würde Konrad schwerfallen, sagt er. Für ihn ist Politik ein wichtiges Thema, mit dem er sich gerne beschäftigt und worüber er gerne spricht.
Wie wichtig ist mir die Freundschaft?
Wie gut eine Freundschaft unterschiedliche politische Standpunkt aushält, hängt auch davon ab, wie gut wir unsere Freund*innen kennen, sagt Sozialpsychologin Nicole Harth von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Wenn wir schon lange miteinander befreundet sind und uns die Freund*innen wichtig sind, dann falle es uns tendenziell leichter, wenn jemand eine andere Einstellung hat als wir. Diesen Unterschied können wir dann sogar an unseren langjährigen Freund*innen schätzen.
Wenn wir neue Menschen kennenlernen, sieht das oft anders aus. Studien haben gezeigt, dass wir Menschen eher interessant finden, wenn wir die gleiche politische Einstellung miteinander teilen, erklärt sie.
Was Freund*innen miteinander verbindet, kann auch einen Unterschied für Diskussionen machen. Wenn wir beispielsweise mit einem Freund in erster Linie feiern gehen, kann es gut sein, dass politische Themen gar nicht aufkommen oder wir eine andere politische Sichtweise besser aushalten können, weil diese Perspektive beim Feiern keine große Rolle spielt.
"Studien zeigen: Wenn ich mir neue Freundschaften suche, dann finde ich Leute schon eher interessant, wenn sie meine eigene politische Einstellung teilen."
Sollten wir dann doch in einer Diskussion sein, die hitzig wird, hat Sozialpsychologin Nicole Harth auch Tipps dafür:
- Keine Sorge davor, emotional zu werden: Wenn wir in einem Gespräch emotional werden, muss das nichts Schlechtes bedeuten, sagt sie. Es zeigt erst einmal nur, dass uns das Thema wichtig ist. Und Gegensätze gehören zu Freundschaften, wie auch in unserem Zusammenleben, dazu.
- Ich-Botschaften senden: In der Diskussion sollten wir bei uns bleiben und unseren Gesprächspartner*innen erklären, warum uns das Thema gerade so wichtig ist. Hier hilft es auch, wenn wir gleichzeitig versuchen, die Perspektive unseres Gegenübers ein Stück weit einzunehmen.
Die Sozialpsychologin betont außerdem, wie wichtig Beziehungen wie Freundschaften sind, um eine Radikalisierung von einzelnen Personen zu vermeiden. Denn soziale Isolation könne das befördern, sagt sie.