BeziehungenWas gute Freundschaft ausmacht
Mit guten Freunden haben wir viel gemeinsam? Nicht unbedingt. Psychologen sagen: Ähnliche Interessen und Charakterzüge spielen nur eine Nebenrolle. Die räumliche Nähe ist zum Beispiel oft viel entscheidender. Unser Reporter Johannes Döbbelt hat fünf Faktoren gefunden, die bestimmen, wie wir Freundschaften schließen.
Manche Freunde kennen wir erst seit ein paar Monaten, andere schon seit dem Kindergarten. Aber wie geraten wir eigentlich an diese Menschen, die uns so nahe stehen? Suchen wir uns die ganz gezielt aus – oder ist am Ende alles Zufall? Soziologen, Psychologinnen und Philosophen versuchen, schon lange herauszufinden, warum wir uns welche Freunde aussuchen – und sie sind dabei auf ein paar erstaunliche Erkenntnisse gestoßen.
"Ich habe viele Freunde über einen gemeinsamen Mitbewohner kennengelernt, mit dem ich jetzt aber selber gar nicht mehr befreundet bin."
Faktor 1: Räumliche Nähe
Wer zufällig in unserer Nähe ist, wird tatsächlich eher unser Freund. Das zeigt eine Studie der Uni Mainz. Ein Psychologie-Professor hat dort Studienanfängerinnen und Studienanfängern in der ersten Vorlesung einen Platz im Hörsaal zugewiesen – und zwar nach dem Zufallsprinzip. Es zeigte sich, dass die Sitzordnung in dieser einen Veranstaltung die zukünftigen Freundschaften zwischen den Kommilitonen beeinflusste: Studierende, die nebeneinandergesessen hatten, waren ein Jahr später stärker miteinander befreundet als diejenigen, die weit voneinander entfernt gesessen hatten.
Faktor 2: Kontakthäufigkeit
Je häufiger wir einen Menschen sehen, desto sympathischer wird er uns und dann vielleicht auch zu unserem Freund – vorausgesetzt wir finden ihn jetzt nicht von vornherein total blöd und nervig. Psychologen nennen das den "Mere-Exposure-Effekt": Unser Gehirn kann das, was wir gut kennen, leichter verarbeiten und belohnt uns dafür. Dinge oder Personen, die uns vertraut sind, finden wir deswegen eher sympathisch.
"Es gibt keine interessenlose Freundschaft."
Faktor 3: Eigeninteresse
Klingt natürlich voll unromantisch, aber Studien haben gezeigt, dass wir uns unsere Freunde auch danach aussuchen, was wir uns von ihnen versprechen. Dabei geht es um emotionale Bedürfnisse, also etwa: Wie gut kann mich jemand zum Lachen bringen oder mich trösten, wenn es mir schlecht geht? Aber auch um pragmatische Fragen wie etwa: Wer kann mir beim Lernen in der Uni helfen? Der Philosoph Björn Vedder sagt, es gebe keine Freundschaft, in der das Eigeninteresse nicht auch eine Rolle spiele.
Faktor 4: Gefühlte Ähnlichkeiten
Klar, man sollte schon irgendwie auf einer Wellenlänge sein, ähnliche Einstellungen oder Interessen haben. Aber die Freundschaftsforschung zeigt, dass sich enge Freunde oft gar nicht so sehr ähneln. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Humboldt-Universität in Berlin haben das untersucht. Ergebnis: Es spielt für die Freundschaft keine Rolle, ob uns jemand tatsächlich ähnlich ist, es reicht, dass wir unseren Freund als ähnlich wahrnehmen. Außerdem können Unterschiede eine Freundschaft besonders interessant machen.
Faktor 5: Anerkennung
Natürlich wollen wir nicht nur Freunde, die wir toll finden, sondern auch Freunde, die uns toll finden – und uns das auch zeigen. Dabei verfolgen wir zwei verschiedene Strategien, sagt Björn Vedder. Wir wünschen uns einerseits Aufmerksamkeit von vielen Menschen. Und wir wünschen uns gleichzeitig Aufmerksamkeit von wenigen Menschen, dafür aber auch eine intensivere Beziehung. "Und beide Strategien müssen zusammen bestehen, es reicht nie die eine davon aus", so der Philosoph.
Wir wollen also viel Aufmerksamkeit und Zuneigung von wenigen. Und zumindest ein bisschen Aufmerksamkeit von ganz vielen. Für Ersteres gibt es die richtig guten Freunde, und für das Zweite immerhin noch die auf Facebook.
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