FreundschaftClique – ja oder nein?

Clara liebt es, Zeit mit ihrer ganzen Clique zu verbringen. Sie hat aber auch zu jeder einzelnen Person eine besondere Verbindung. Freundschaftsforscher Horst Heidbrink erklärt, warum wir überhaupt Cliquen bilden. Und: Ist es komisch, das nicht zu tun?

Clara ist 24 und macht eine Ausbildung zur Köchin. Früher hatte sie nicht so tolle Gruppenfreundschaften. Stichwort: Eifersucht. "Es war ganz schrecklich im Nachhinein, wenn ich daran zurückdenke. Immer wenn zwei unterwegs waren, war die Dritte eifersüchtig, hat Stress gemacht oder wurde ausgeschlossen."

Inzwischen hat Clara aber Leute gefunden, mit denen sie richtig gerne abhängt. Die ganze Clique hat sich sogar einen Namen gegeben: Familie Schröbbel. 15 Menschen gehören dazu, Geschlechter gemischt und Berufe auch.

Spaß, aber auch Deep Talk

Ein typischer Abend zusammen sieht bei den Schröbbels so aus: Alle treffen sich zum Beispiel bei Clara. Es wird getrunken, geraucht und gelacht und irgendwann wird gemeinsam ein Spiel gespielt – das Fragenspiel. Es zielt darauf ab, dem typischen Smalltalk zu entkommen und mal andere Gespräche miteinander zu führen.

"Ich hasse nichts mehr als Smalltalk. Und da habe ich die Idee gehabt, dass jeder einen Zettel kriegt und eine Frage aufschreibt. Es geht in die Richtung: Welche Eigenschaft hast du von deiner Mutter geerbt, die du nicht an dir magst?" Clara und ihre Freunde führen also auch sehr tiefgründige Gespräche.

"Eine Frage, die wir uns immer stellen: Wann hast du das letzte Mal geweint?"
Clara, Köchin in Ausbildung

Clara sagt, dass sie und ihre Leute sehr auf der gleichen Frequenz sind: "Wenn wir Urlaube planen, dann ist klar, dass alle dabei sind." Letztes Jahr waren alle zusammen beispielsweise in Schweden und haben sich da ein Haus zusammen gemietet – mit Sauna und Pool. Das funktioniert auch ohne Probleme.

Clara und ihre Leute sind kein Einzelfall. Denn: Menschen sind grundsätzlich gerne in einer Gruppe, sagt Horst Heidbrink, Freundschaftsforscher und Dozent an der IU Internationale Hochschule in Hamburg. Das geht zurück bis in die Steinzeit, erklärt der Freundschaftsforscher. "Wenn wir innerhalb einer Gruppe enge Beziehungen haben, dann scheint das ein evolutionärer Vorteil gewesen zu sein. Deshalb hat sich die Menschheit – zumindest zahlenmäßig – so prächtig entwickelt."

"Wenn wir Freund*innen haben, mit denen wir bestimmte Dinge machen können, dann fühlen wir uns sicherer.
Horst Heidbrink, Psychologe, Freundschaftsforscher und Dozent

"Der Mensch ist ein soziales Wesen – und das können wir schon bei kleinen Kindern feststellen: Sie interessieren sich schon in den ersten ein, zwei Jahren für andere.", sagt Horst Heidbrink.

Und der Freundschaftsforscher sieht auch einen Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und dem eigenen Selbstbewusstsein. "Je mehr Leute ich kenne, je mehr positive Beziehungen ich zu anderen habe, daraus resultiert ja so etwas wie mein eigenes Selbstbewusstsein. Das ist so etwas wie soziales Kapital."

Gemeinsamkeiten feiern verbindet

In Cliquen geht es auch darum, Gemeinsamkeiten zu feiern. Das verbindet. Dazu gehört wie in Claras Fall, dass sie und ihre Leute sich den Namen "Familie Schröbbel" gegeben haben.

Auch Freundschaftsforscher Horst Heidbrink meint, dass das die Zugehörigkeit stärkt. "Freundschaften oder Freundesgruppen sind ja keine offiziellen Beziehungen, sondern informelle, inoffizielle Beziehungen. Aber je wichtiger die für die einzelnen Leute werden, desto stärker neigen wir dazu, das auch zu formalisieren." Das kann soweit gehen, dass eine Gruppe sich eigene Ausweise erstellt. Bei Clara sind es Gruppensticker, die schon mal beim Feierngehen im Club verteilt werden.

"In so einer intensiven Clique entwickelt man so etwas wie gemeinsame Normen und Werte. Und eigentlich achten alle mehr oder weniger bewusst darauf, dass Leute nicht zu stark davon abweichen."
Horst Heidbrink, Psychologe, Freundschaftsforscher und Dozent

Ein Clique bleibt aber auch gerne unter sich. Und es entsteht eher so eine ablehnende Haltung, wenn jemand neu dazu kommt. Das ist etwas ganz Gewöhnliches, sagt Horst Heidbrink und nennt ein Beispiel: "Wenn wir eineinhalb Stunden mit zwei anderen Leuten in einem Zugabteil gesessen haben und dann kommt plötzlich eine neue Person dazu, dann wirkt das erst mal so, als ob das ein Störenfried ist und der muss erst mal zeigen, dass er auch zu uns anderen – die wir uns schon kennengelernt haben – passt."

Für Clara ist es wichtig, dass Leute Lust haben, sich zu öffnen und teilzuhaben, wenn sie neu zu ihrer Clique dazustoßen. Es gab auch Fälle, da hat es nicht gepasst, erzählt sie: "Zwei Leute, die ganz am Anfang mit dabei waren, die sind zum Beispiel nicht mehr in der Gruppe, weil man da gemerkt hat: Vielleicht ist denen das ein bisschen zu viel."

Nicht alle können gut neue Kontakte knüpfen

Für manche Menschen ist auch gar nicht so einfach, neue Leute kennenzulernen. "Es fällt Menschen zunehmend schwerer, das sieht man auch in der Forschung. Wir haben auch das Phänomen, dass viele Menschen sich heute einsamer fühlen – vor allem junge Menschen", sagt die promovierte Soziologin und Autorin Andrea Newerla.

Wenn Leute nicht so gut Anschluss finden, dann spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, so die Soziologin: Angst vor Zurückweisung oder nicht genug Selbstbewusstsein, andere anzusprechen. Es kann aber auch sein, dass jemand nicht Genug Geld hat, um irgendwo hinzugehen – zum Beispiel in einen Sportverein.

Online Anschluss zu finden, ist für einige Menschen einfacher. Dazu hat Andrea Newerla auch geforscht. Allein durch Dating-Apps könnten sich neue soziale Kreise auftun. Der nächste Schritt sei dann, eine Gruppenfreundschaft zu halten. Und das kann der Soziologin zufolge herausfordernd sein. Leute würden häufiger als früher Orte wechseln, an denen sie studieren oder arbeiten.

"Was auch ein Phänomen unserer Zeit ist: dass diese klassischen Cliquen über die Jugendzeit nicht zu retten sind, weil wir in einer Zeit so extrem hoher Mobilität leben."
Dr. Andrea Newerla, Soziologin und Autorin

Dadurch, dass wir heutzutage sehr digital aufgestellt sind, lassen sich viele Grenzen und Entfernungen aber auch überwinden, sagt Andrea Newerla. Das passiere aber nicht von alleine. Heißt: Man sollte auch darauf achten, Kontakte zu pflegen.

Clara und ihre Leute aus der Clique sind sehr miteinander verbunden. Neben dem Feierngehen, den Reisen und vielen Verabredungen haben die Schröbbels sogar einen gemeinsam Insta-Account. "Ich verstehe es teilweise auch gar nicht, wie wir das alles hinbekommen, weil jeder von uns so unglaublich buisy ist und jeder sein Leben hat – wir uns aber trotzdem so nah sind." Clara ist dafür extrem dankbar.