FremdgehenWie wir mit einem Vertrauensbruch umgehen
Maries Ex-Freund ist zwei Mal fremdgegangen. In ihrer neuen Beziehung war Marie wichtig, das Verhalten ihres Ex nicht auf ihren neuen Partner zu projizieren. Paar- und Sexualberaterin Naila Rediske erklärt, wie man so einen Vertrauensbruch aufarbeiten kann.
Marie und ihr Ex-Freund waren ein Vorzeigepaar, sagt sie. Probleme oder große Konflikte hatten sie in ihrer vierjährigen Beziehung keine – bis zu diesem einen Abend. Marie und ihr damaliger Freund waren auf einer Party. Dort kam es zum Streit und Marie hat die Party alleine verlassen.
"Mein damaliger Freund hat mir das leider per Whatsapp offenbart."
Später hat sie dann gemerkt, dass etwas nicht zwischen ihrem damaligen Freund und ihr stimmt. "Ich habe ihn dann so lange damit genervt, was denn los sei, dass er mir tatsächlich unter Druck beichten musste, was dort passiert ist", erinnert sie sich. Nachdem Marie die Party verlassen hat, hat ihr Freund eine andere Frau geküsst – eine gemeinsame Freundin der beiden.
"Wenn man sich entscheidet, mit einer Person zu knutschen, zählt das für mich als Fremdgehen."
Für Marie ist das ein Schock. Dass ihr Freund einmal fremdgehen würde, damit hat sie nicht gerechnet. "Ich wusste ich nicht mehr, was ich sagen oder denken soll. Es war eine Wut und Ohnmacht in mir", sagt sie.
Der Schmerz war doppelt so schlimm, weil es sich bei der Frau um eine Freundin gehandelt hat. Marie ist auch nochmal Situationen in ihrem Kopf durchgegangen, in denen sie alle gemeinsam etwas unternommen haben und hat vieles hinterfragt: Sätze, Gesten und Umarmungen, die ihr Freund und die Frau miteinander ausgetauscht haben, bevor es zu dem Kuss auf der Party kam.
In den Tagen und Wochen danach hat sie aber verdrängt, was an dem Abend passiert ist. Sie wollte ihre Beziehung nicht aufgeben, den engen Kontakt zu ihren beiden Familien und das, was sie sich zusammen aufgebaut haben.
Gebrochenes Vertrauen
Dann war ihr damaliger Freund für ein Jahr in Australien. Als er wieder gekommen ist, ist er wieder fremdgegangen. Das war der endgültige Bruch für ihre Beziehung. Das alles ist über zehn Jahre her. Marie ist mittlerweile in einer anderen langjährigen Beziehung und glücklich.
Zu ihrem Ex hat sie heute keinen Kontakt. "Wir haben nichts mehr miteinander zu tun, deswegen kann ich das auch relativ emotionslos erzählen. Hätte man mich aber vor zehn Jahren danach gefragt, würde das Ganze schon wieder anders aussehen", sagt Marie. Komplett verziehen habe sie ihm aber nicht.
In ihrer neuen Beziehung fiel es Marie sehr schwer zu vertrauen. Durch das Fremdgehen und die Lügen ihres Ex-Freundes hat sie eine Unsicherheit, eine gewisse Skepsis gegenüber anderen entwickelt, sagt sie. Doch mit ihrem jetzigen Partner fühlt sie sich sicher.
Zusammenbleiben oder gehen?
Wo der Betrug anfängt, das ist individuell, sagt Paar- und Sexualberaterin Naila Rediske. Für Marie war es das Küssen auf der Party. Für andere kann Schreiben mit einer anderen Person Fremdgehen bedeuten. Was diese Situationen aber gemeinsam haben: Eine Grenze innerhalb einer Beziehung wird verletzt.
"Fremdgehen funktioniert leider in allen Beziehungsmodellen, weil es immer irgendwie Absprachen gibt: Wo sind Grenzen? Ab wann wird etwas verletzt?"
Die Paar- und Sexualberaterin sieht hier zwei Ausgangssituationen, die besonders häufig vorherrschen, wenn jemand fremdgeht:
- Es fällt schwer, über Bedürfnisse zu sprechen oder die eigenen Bedürfnisse innerhalb einer Beziehung zu spüren.
- Starre Konzepte über Beziehung: Vielen Menschen wäre es nicht bewusst, dass sich eine Beziehung jederzeit gestalten und umgestalten lässt, so die Expertin. Sexuelle Bedürfnisse oder Wünsche für die Zukunft können sich zum Beispiel im Laufe einer Beziehung verändern – und darüber darf jederzeit gesprochen werden.
Gemeinsam Zwischenräume erkunden
Naila Rediske beobachtet, dass manche in Beziehungsfragen oft in einem Entweder-Oder-Muster denken: Entweder ich bin unglücklich in der Beziehung oder ich trenne mich, ist so ein Denkmuster. In Beziehungen ist aber viel mehr als das möglich, so die Paar- und Sexualberaterin. Es gehe darum, gemeinsam den Raum dazwischen auszuloten, Dinge zu verändern, anzupassen und gemeinsam neue Wege zu finden.
Auch Fremdgehen muss nicht zwingend das Ende einer Beziehung bedeuten. Sofern die Beziehung eine gesunde ist, also nicht toxisch, ist es möglich, den Betrug gemeinsam aufzuarbeiten und auch das Vertrauen zueinander zurückzugewinnen. "Das ist ein Prozess – also sich wirklich bewusst auf diesen Weg einlassen – den man dann gemeinsam geht als Paar", sagt sie.
Im Gespräch mit Deutschlandfunk-Nova-Moderator Dominik Schottner geht Paar- und Sexualberaterin Naila Rediske auch darauf ein, inwiefern es Sinn macht, eine Beziehung nach einem Seitensprung zu öffnen und wie man nach einer länger anhaltenden Affäre zueinanderfinden kann. Klickt dafür oben auf den Play-Button.
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