Mit Hobos quer durch die USAEin Symbol für die verlorene Freiheit

Dreieinhalb Monate lang ist der Journalist Fredy Gareis mit Hobos auf Güterzügen quer durch die USA gereist und hat anschließend ein Buch über diese Zeit und die Menschen geschrieben, die ihn inspiriert haben und zu denen er weiterhin Kontakt hält. Es heißt: "König der Hobos - Unterwegs mit den Vagabunden Amerikas."

Auf einer seiner Reisen in Budapest lernte Fredy Gareis einmal einen ehemaligen Hobo aus den USA kennen. Hobos waren ursprünglich Wanderarbeiter, die mit dem Bau der transkontinentalen Eisenbahn begannen, die USA per Güterzug zu durchqueren. Überall dort, wo es für sie Lohn und Brot gab, stiegen sie aus, blieben ein paar Tage, Wochen oder sogar Monate und zogen dann wieder weiter. Die Begegnung mit dem früheren Hobo ließ Fredy nicht mehr los - und er beschloss, sich auf ihre Spur zu begeben. Dafür reiste er in die USA.

Eine Tafel im Foyer des National Hobo Museums und ein Gitarre spielender Hobo auf einem Güterzug.

In vielen US-amerikanischen Filmen kann man Menschen auf Güterzüge aufspringen sehen. Doch so einfach, wie das im Film aussieht, ist es nicht. Im Gegenteil, es kann sogar ziemlich gefährlich sein - und nicht jeder Zug eignet sich dafür, um als blinder Passagier mitzureisen. 

"Ich hatte ordentliche Angst vor meiner ersten Fahrt. Wenn man auf dem Zug drauf sitzt, dann ist man umgeben von donnerndem Stahl, alles kracht irgendwie und lärmt. Und draußen die weite amerikanische Landschaft. Beides zusammen ergibt eine Kombination, die unvergesslich ist."
Fredy Gareis, Journalist, Buchautor und Reisender

Erst mal ab in die Hobo-Schule

Um Kontakt zu Hobos zu bekommen, reiste Fredy in die Stadt Britt, im Bundesstaat Iowa. Dort gibt es die National Hobo Convention und das National Hobo Museum. Seit dem Jahr 1900 werden dort jedes Jahr der König und die Königin der Hobos gekrönt.

Fredy lernte in Britt den Hobo Tuck kennen, der seit 25 Jahren per Güterzug durch das Land fährt. Es kostete einige Überzeugungskraft, bis er sein Vertrauen gewonnen hatte und er ihm erlaubte, einen Teil seiner fortwährenden Reise zu begleiten. Von ihm erzählt Fredy in seinem Buch.

Wie eine Figur aus einem Buch von Mark Twain

In Texas traf Fredy den Hobo Shoestring - einen Vollzeit-Hobo in Armeeklamotten und mit einem langen Bart. Fredy fand diesen Einzelgänger, der auch seit 25 Jahren auf Gleisen durch das Land reist, besonders faszinierend. Er erinnerte ihn an eine Figur, die aus einem Mark-Twain-Buch entstiegen zu sein schien. Doch so eigenbrötlerisch, wie Shoestring auch daherkommen mag, so up to date ist er, wenn es darum geht, auf Youtube Videos zu veröffentlichen oder seinen Status in den sozialen Medien zu posten.

"Man sucht sich, so wie ich das gemacht habe, jemanden, der weiß, was er tut: Wo der Güterbahnhof ist, wo der Zug abfährt, wie man auf das Gelände kommt, und was man beachten muss. Ich bin bei einem alten Hobo in die Hobo-Schule gegangen."
Fredy Gareis, Journalist, Buchautor und Reisender

Früher reisten Millionen von Hobos durch das Land. Inzwischen sind es nur noch wenige. Und die Menschen, die sich zur Hobo-Community zählen, sind sehr unterschiedlich. Es gibt die Vollzeit- und die Teilzeit-Hobos, die Yuppie- und die Wochenend-Hobos, die musizierenden und die bettelnden Hobos. Und es gibt immer noch die Wanderarbeiter: Hobos, die auf den Marihuana-Plantagen im Nordwesten des Landes arbeiten.

Noch heute gibt es Hobos in den USA - sie reisen und schlafen in Güterzügen.

Die Freiheit, die uns verloren gegangen ist

Die Hobos haben eine gewisse Standesehre. Sie legen Wert darauf, sich von Obdachlosen abzugrenzen, auch wenn sie selbst tatsächlich keinen festen Wohnsitz haben. Es gibt eine Redewendung, die das deutlich macht, erzählt Fredy Gareis: "So ein Tramp (Englisch für Obdachloser), der stopft sich Zeitungen unter die Klamotten, wenn ihm kalt ist. Ein Hobo macht genau das Gleiche, aber er liest die Zeitungen zuerst." 

Aus der Zeit gefallen und hoch aktuell

Viele der Hobos sind Konsumkritiker und haben sich bewusst für diesen Lebensstil entschieden. Fredy findet, dass sie mit ihrem Lebensstil irgendwie aus der Zeit gefallen sind, aber ihre gelebte Philosophie auch hochaktuell sei. Sie leben eine radikale Freiheit, die mitunter hart sein kann, weil sie von manchen Leuten als Vogelfreie angesehen werden. Diese Menschen beschmeißen sie mitunter mit Steinen und Bierdosen. 

Für Fredy Gareis bleibt es eine unvergessliche Erfahrung, die er nicht missen möchte: Nach einer Nacht im Güterzug morgens in der Wüste von Nevada aufzuwachen und das Gefühl zu haben, endlich Raum zum Atmen und Denken zu finden. Im Vergleich dazu wirkt Deutschland auf ihn, wie ein Schuh, der zwar schön, aber eben zwei Nummern zu eng ist. All dies beschreibt er in seinem Buch "König der Hobos - Unterwegs mit den Vagabunden Amerikas."

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