Finger wegWenn wir in der Küche die Kontrolle behalten wollen
Schnibbeln, kochen, abschmecken – nicht jeder mag es, wenn ihm beim Kochen Hilfe von Freunden oder einem Partner angeboten wird. Marvin verzichtet lieber auf Unterstützung, denn alleine fällt ihm das Kochen deutlich leichter. Was Kochgewohnheiten über uns aussagen, erklärt die Psychologin und Paartherapeutin Nadine Pfeiffer.
Marvins Vater und auch sein Onkel sind Köche. Aus seiner Kindheit ist er es gewohnt, dass die Männer seiner Familie den Kochlöffel in der Hand halten. Auch Marvin kocht gerne und am liebsten ohne, dass er jemanden an seiner Seite hat, der ihm dabei hilft. Denn beim Kochen lässt er sich nicht gerne reinreden.
"Ich habe es von zu Hause vorgelebt bekommen, weil das die einzige Weise war, wie man gekocht hat, es war auf jeden Fall ein Einfluss."
Seine Sozialisation ist einer der Gründe dafür, dass Marvin nicht gemeinsam mit Freund*innen kochen möchte. Für ihn ist das auch eine Art Geschmackssache: Denn nur er weiß genau, welches Geschmackserlebenis er beim Kochen erzielen möchte. Wie viel Chili beispielsweise benötigt wird, damit das Chili con Carne genau den richtigen Schärfegrad hat.
Wenn ein Freund oder eine Freundin Marvin beim Kochen unterstützen würde, könnte das auch einen Einfluss darauf haben, wie und ob ihm das Endergebnis genauso gut schmeckt, wie er sich das erhofft hatte.
"Wenn man so eine bestimmte Vorstellung hat, was man kochen möchte, dann möchte man genau dieses eine Gericht auch essen."
Er sagt, dass derjenige, der sich für ein bestimmtes Rezept entscheidet, dabei ja auch schon einen bestimmten Geschmack im Kopf hat, den er oder sie treffen möchte.
Beispielsweise: Jeder, der an Nudeln mit Bolognese-Soße denkt, hat einen anderen Geschmack in Erinnerung. Dieses individuelle Geschmackserlebnis kommt durch die einzigartige Zusammensetzung der einzelnen Aromen zustande. Diese wiederum haben ihren Ursprung in der Art und Weise, wie die Zutaten miteinander kombiniert und abgeschmeckt werden.
Was die Art zu Kochen über euch aussagt
Es gibt Menschen, die kochen gerne alleine und behalten gerne die Kontrolle. Und dann gibt es diejenigen, die einfach alles gerne mit anderen zusammen machen. Warum wir welchem Typus angehören, hat natürlich mehrere Gründe. Es kann zum Beispiel sein, dass dem einen der Geschmack und das Kochen an sich nicht so wichtig sind und dass eher um das gemeinsame Erlebnis geht. Für Marvin ist Kochen hingegen einfach Entspannung und für ihn sogar wichtiger als das Essen an sich.
"Oft und aller meistens stecken andere Themen hinter der Art zu kochen: nämlich emotionale Grundbedürfnisse."
Die Psychologin und Paartherapeutin Nadine Pfeiffer erklärt, dass aber besonders beim Kochen in Teamarbeit tieferliegende Probleme in Erscheinung treten können.
Wenn wir uns zum Beispiel darüber aufregen, dass jemand anderes das Gemüse anders schneidet, als wir das selbst tun würden. Was uns aber tatsächlich daran ärgert, ist, dass wir uns in diesem Moment von der anderen Person nicht gehört fühle, was unsere Vorstellung und unser Konzept davon betrifft, was das Zubereiten und das Einnehmen einer Mahlzeit angeht. Nadine Pfeiffer sagt, dass es oft die Kleinigkeiten sind, an denen die tieferliegenden Probleme sichtbar werden.
Probleme in der Küche lösen
Marvin hat sich einfach dazu entschieden, seine Freund*innen dazu zu animieren, sich auszuruhen und mit ihm zu unterhalten, während er alleine kocht. Er hat das Gefühl, dass die meisten ihm sowieso nur helfen wollen weil sie ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie nur dasitzen während er das Essen zubereitet.
"In der Küche hat mein einfach viel mehr Konfliktpotenzial, da stellt sich noch mehr heraus, ob man wirklich ein gutes Team ist."
Sowohl für einen selbst, als auch für die Beziehung zu dem Menschen, mit dem man in der Küche Probleme hat, kann es wichtig sein genau hinzuschauen. Nadine Pfeiffer sieht in Kochgewohnheiten und den Konflikten, die dabei entstehen können, eine Möglichkeit, die unter der Oberfläche liegenden Probleme zu erkennen.
Sie erklärt, dass es sich meistens nicht um Probleme innerhalb einer Beziehung handelt, sondern frühere Verletzungen dahinterstecken können. Wenn diese alten Verletzungen sichtbar werden, haben wir aber durch die Sichtbarkeit auch erst die Möglichkeit, diese zu bearbeiten.