Skandal um Dax-UnternehmenWirecard: Frühe Vorwürfe nicht ernstgenommen
Wirecard galt als erfolgreiche deutsche Gründerstory. Doch dann fehlen plötzlich 1,9 Milliarden Euro. Warum ist den Aufsichtsbehörden der Bilanzbetrug nicht aufgefallen? Denn es gab Vorwürfe gegen Wirecard: Journalisten der britischen Wirtschaftszeitung Financial Times berichteten immer wieder. Doch statt sie anzuhören, wurden sie angezeigt. NDR-Reporter Benedikt Strunz über den Finanzskandal um Wirecard.
Erste Vorwürfe gegen Wirecard gab es bereits 2008, sagt Benedikt Strunz, NDR-Investigativ-Reporter mit Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität. Damals hatten kritische Aktionäre darauf hingewiesen, dass die Bilanzierung bei Wirecard intransparent sei.
Versagen der Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer
In den Jahren danach verdichteten sich die Vorwürfe gegen Wirecard. Ab 2017 nahmen sich Wirtschaftsjournalisten das Unternehmen intensiver vor. Immer wieder wurde bemängelt, dass die Bilanzen nicht nachvollziehbar seien. 2019 lieferte die britische Wirtschaftszeitung Financial Times "ganz kritische Berichte", so Benedikt Strunz. "Da ging es konkret um den Vorwurf, den jetzt auch die Staatsanwaltschaft München erhebt, dass Umsätze frei erfunden wurden."
Die Financial Times blieb an Wirecard dran
Doch anstatt den Kritikern zuzuhören, behinderte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Arbeit der Journalisten. "Die Bafin ist eine Behörde, die in jedem Finanzskandal, an dem ich arbeite, auftaucht und eine sehr schlechte Rolle spielt", sagt Benedikt Strunz. Zuletzt waren das Skandale wie die Panama Papers, Paradise Paper oder Berenberg Bank. Der Fall Wirecard sei aber besonders peinlich für die Bafin. Denn die Vorwürfe waren massiv. Doch die Behörde erstattete Strafanzeige gegen die Journalisten, mit dem Argument, dass sie den Aktienkurs von Wirecard manipulieren wollten.
"Alle diese großen Skandale: Da ist die Bafin auch mit drin, und hat irgendwie nicht richtig hingeguckt. Aber bei Wirecard, finde ich, ist die Rolle der Bafin besonders peinlich und schlimm."
Was bei der Bafin falsch gelaufen ist, ist noch unklar. Es gehe auch um strukturelle Fragen, so Benedikt Strunz. Gibt es zum Beispiel genug Personal, um selbst zu prüfen? Oder verlässt man sich einfach auf Dritte? Aber natürlich gehe es auch darum, sich das mögliche Fehlverhalten einzelner Personen anzuschauen.
"Ich gehe davon aus, dass es für einige Bafin-Mitarbeiter in den kommenden Wochen noch sehr, sehr unangenehm werden könnte."
Auf politischer Ebene werde die mögliche Mitverantwortung bislang hin- und hergeschoben, so Benedikt Strunz. Immerhin ist die Bafin eine staatliche Behörde und unterliegt der Aufsicht durch das Finanzministerium. Auch die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young müssen noch Antworten liefern. Die Nachweise für die 1,9 Milliarden Euro fehlen nach wie vor.