FinanzmarktpolitikWer hat das Sagen?
Literaturwissenschaftlicher Joseph Vogl untersucht die Fremd- und Eigenbeschreibungen der Finanzbranche. Und er kommt zu erhellenden Analysen. Analysen, die uns helfen können, die Abfolge der Finanzmarkt-, Banken-, Schulden-, Griechenland- und diversen anderen Krisen besser zu verstehen.
Erklärt ein Literaturwissenschaftler die Finanzwelt. Haha. Selten so gelacht. Was klingt wie ein Witz, ist keiner. Sondern die Kurzform einer unglaublich spannenden Diskussion.
"Eine Erfindung wie die des Kredits und damit der Schuld und des Schuldners, ist eine überaus intelligente Erfindung."
Professor Joseph Vogl ist Literaturwissenschaftler an der Humboldt Universität zu Berlin. Und er interessiert sich für die Stellen, an denen sich Literatur und Wissenschaft - in diesem Falle: Finanzwissenschaft - berühren und durchdringen.
Alles über "die Finanzpolitik" und "den Finanzmarkt"
Dabei geht es ihm nicht darum, in seinem Elfenbeinturm akademische Taschenspielertricks zu vollführen. Er will beschreiben, was der Finanzmarkt ist, wie die Finanzpolitik arbeitet, wie beides zusammenhängt - indem er die (Selbst-)Beschreibungen, die Erzählungen der Branchen untersucht. Vogl kommt damit zu erhellenden Analysen. Analysen, die uns helfen können, die Abfolge der Finanzmarkt-, Schulden-, Währungs- und Griechenlandkrisen besser zu verstehen.
"Die Entfesselung von Kredit- und Finanzwirtschaft hat die Zukunft unsicherer gemacht und die Investitionen ins Wachstum von Volkswirtschaften geringer. Das ist die Ironie."
Wer schon geahnt hat, dass Worte wie "Ausnahmezustand", "alternativlos" und "Krise" seit 2008 ziemlich überstrapaziert werden, weiß nach dieser Diskussion besser, wieso das so ist. Und wünscht sich inbrünstig, Angela Merkel, Wolfgang Schäuble und einige andere Politiker hören fleißig diesen Hörsaal.
"Was Politik überhaupt definiert ist: das Verhandeln von Optionen. Aussagen wie die von der Alternativlosigkeit sind keine politischen Aussagen. Das sind reine Verwaltungsmaßnahmen. Politik ist mit einer Kunst des Möglichen verbunden. Und wer das nicht in Erinnerung behält, ist auch kein Politiker."
Am 2. Juli 2015 hat Joseph Vogl, der Autor von "Das Gespenst des Kapitals" und "Der Souveränitätseffekt", in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit jungen Wissenschaftlern und dem Publikum diskutiert.