Anomalisa bei den Filmfestspielen von VenedigAnimation, Puppen und Sex
Wenn Johnny Depp mit Halbglatze gegen rumsexelnde Puppen abstinkt, und eine Opernsängerin keinen Ton trifft, dann sind das die Filmfestspiele von Venedig. In der 72. Ausgabe zeigt das älteste Filmfestival der Welt wieder alles, was neu und was gut ist. Filmjournalist Patrick Wellinski musste feststellen, dass das nicht immer zusammengehört.
Die größte Überraschung der Filmfestspiele: Der immer etwas durchgeknallte Regisseur Charly Kaufman hat seinen Animationsfilm "Anomalisa" präsentiert und hat damit DRadio-Wissen-Reporter Patrick Wellinski durchaus in seinen Bann gezogen. Es geht um Puppen. Und um einen Mann in der Midlife-Crisis, der reist für einen Vortrag nach Cincinnati - und dort sehen alle exakt so aus wie er. Bis auf eine Frau und in die verliebt er sich natürlich.
"Ich habe Sex zwischen Puppen noch nie gesehen, niemand hat das so gesehen und wir waren alle erstaunt. Und ehrlich gesagt, sah der Sex besser aus als so mancher Menschensex hier auf der Leinwand."
Das Gesprächsthema Nummer eins während der Filmfestspiele ist aber nicht Puppensex sondern: Welcher Film räumt die Preise ab? 21 Filme sind im Rennen um den Goldenen Löwen. Deutsche Filme sind nicht dabei, aber zumindest zwei Koproduktionen: "Remember" erzählt die Geschichte einer Rache an einem Nazi, "Francofonia" entführt den Zuschauer ins Pariser Louvre während der Nazizeit.
Heiße Löwen-Kandidatin: Madame Marguerite
Der Geheimtipp von Patrick, sein ganz heißer Kandidat für den Goldenen Löwen, ist ein französischer Film: "Madame Marguerite". Die Titelheldin ist eine reiche Diva und Hobby-Opernsängerin. Das Problem: Die Madame ist eine extrem lausige Sängerin. "Das erinnert an Castingshows, da kommen ja auch Leute, die überhaupt nicht singen können und wir lachen immer über sie", sagt Patrick, "aber dieser Film lehrt uns, dass diese Sängerin eben auch liebenswert ist und nicht nur ein Freak." Diesem Film würde er auf jeden Fall einen Preis gönnen.
Übrigens: Nur weil etwas in Venedig gezeigt wird, ist es noch lange nicht gut. Oder auch nur ok. Der neue Film mit Johnny Depp zum Beispiel ist einfach nur sehr langweilig. Black Mass ist eine Gangstergeschichte im Boston der 80er-Jahre. "Aber eigentlich geht es im ganzen Film nur um Johnny Depp und seine hässliche Halbglatze", sagt Patrick. Kurz zusammengefasst: Kriminelle sitzen am Tisch und lamentieren, wie schwer es doch ist, kriminell zu sein. Homer Simpson würde sagen: Booooring!