FettleibigkeitDicke sind nicht selber schuld
Rund ein Viertel aller Deutschen gilt als fettleibig. Übergewicht ist das eine Problem, Betroffene haben auch mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Oft heißt es: Dicke Menschen sind selber schuld. Warum kriegen sie es nicht hin, abzunehmen? Doch ganz so einfach ist das nicht, denn Übergewichtigkeit ist meist kein Zeichen von Disziplinlosigkeit.
Übergewicht und Adipositas sind Mitursache für viele Beschwerden und können die Entwicklung chronischer Krankheiten begünstigen: zum Beispiel Diabetes. Herzkrankheiten oder Bluthochdruck. Eine neue Studie des Robert Koch Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen in Deutschland von Übergewicht betroffen sind. Rund ein Viertel gelten als stark übergewichtig (adipös).
Dick und abgestempelt
Häufig werden übergewichtige Menschen in der Gesellschaft selbst dafür verantwortlich gemacht: Wer dick ist, ist meist schließlich selber schuld, so das gängige Vorurteil:
"Also, wenn ich jemand so richtig Dicken sehe, dann denk ich ehrlicherweise schon: Vielleicht mal ein bisschen weniger essen und mehr bewegen."
Wie tief solche Vorurteile in der Gesellschaft verankert sind, ist wissenschaftlich belegt. Eine aktuelle US-Studie beispielsweise zeigt: Rund Drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass Dicke sich nicht genug anstrengen und nicht diszipliniert genug sind.
"Das ist das Adipositasstigma, das wir in unserer Gesellschaft haben. Das ist eine klassische Diskriminierung einer Gruppe, die nichts für ihren Zustand kann."
Als Adipositasforscher beschäftigt sich Martin Wabitsch intensiv mit den Ursachen von Übergewicht. Er sagt, die Leute liegen falsch, wenn sie Dicke als burgerfressende, faule Couchpotatoes abstempeln. Es gibt eindeutige Daten, die belegen, dass wir eine starke genetische Veranlagung zum haben - zum Beispiel einen Defekt im Sättigungsrezeptor und die Personen haben mehr Hunger.
Es muss ein Umdenken stattfinden
In Ländern wie Äthiopien, wo Menschen sich viel bewegen müssen und wenig zu essen haben, würden sie nicht auffallen, sagt Wabitsch. Doch unter den Bedingungen hier, wo Nahrung überall verfügbar ist, werden diese Menschen extrem adipös.“
Experten sagen außerdem, dass Abnehmen durch Essumstellung und Sport alleine fast nie einen dauerhaften Erfolg bringt. Auch psychische Faktoren spielen eine Rolle. So hätten Übergewichtige sehr oft dass Gefühl, dass sie anders sind und die Erwartungen der Gesellschaft nicht erfüllen. Und dann gibt es häufig auch noch den gefürchteten Jo-Jo-Effekt. "Ein Teufelskreis", so der Adipositasforscher:
Übergewichtige haben immer das Gefühl, dass sie schlecht sind und die Erwartungen nicht erfüllen. Die neigen dann sehr häufig auch zu Depressionen. Das ist ja ganz häufig bei Adipösen, weil sie dieses Feedback bekommen von ihrer Umgebung."
Trotzdem befeuern Fernsehshows wie "The biggest loser" die Idee, dass eine 150-Kilo-Frau mit Disziplin auch ihr Traumgewicht erreicht. Und so glücklich die abgespeckten Finalisten am Ende in die Kamera gucken, von Dauer ist der Erfolg fast nie. Der normale Energieverbrauch war während der Abnehm-Challenge stark runtergegangen, dass sie auch nach Jahren deutlich weniger essen müssen als andere Menschen von ihrer Statur, um nicht zuzunehmen. Martin Wabitsch plädiert deshalb für ein Umdenken.
"Das Ziel ist nicht das Normalgewicht und das Ziel ist nicht 20 Kilo abnehmen, sondern das Ziel ist sehr individuell auf jeden Menschen bezogen. Individuelles Gewicht, was er unter den für ihn annehmbaren Bedingungen erreichen kann."
Neue Erkenntnisse zum Jo-Jo-Effekt
Nichts ist schlimmer als der Jo-Jo-Effekt: abnehmen – zunehmen - abnehmen – zunehmen. Aber was genau steckt hinter diesem Effekt? Forscher vermuten, dass der Effekt bei Diäten mit der Darmflora von Übergewichtigen zusammenhängen könnte. Dazu ein Gespräch mit Tobias Jobke aus den Wissensnachrichten:
Statistiken zeigen ja, dass 80 Prozent der Leute nach einer Diät nicht schaffen, ihr neues Gewicht zu halten. Forscher haben Hinweise, dass Übergewicht offenbar die Zusammensetzung der Darmbakterien verändert und das langfristig."