Fat ShamingWarum uns Dicksein so triggert

Dicksein polarisiert, sagt der Soziologe Friedrich Schorb. Aktuell sichtbar wird das anhand einer Gillette-Kampagne: Auf ein Foto mit dem Plus-Size-Model Anna O’Brien folgte ein Shitstorm.

"Geh raus und rock den Tag!" - so könnte man den Slogan übersetzen, den der Rasierklingenhersteller Gillette unter das Motiv mit Anna O'Brian im Bikini geschrieben hat. Die eigentliche Kampagne von Gillette Venus läuft unter dem Motto "My Skin. My Way" - sie soll Frauen zeigen, die "ihre eigenen Regeln schreiben", sagt Gillette. Eine davon ist die Body-Positive-Aktivistin Anna O'Brian, die auf ihrem Instagram-Account Glitter über 320.000 Abonnenten hat.

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Doch das Bikini-Foto hat offenbar viele provoziert: "Furchtbar", "so viele Problemzonen", "schau nicht hin, du wirst blind" waren einige der Kommentare. "So where do we draw the line between body positivity and health issues?", fragt einer. Eine andere schreibt: "Weight is not an indicator of health, and health is not an indicator of worth."

Die Reaktionen auf das Foto haben den Soziologen Friedrich Schorb nicht überrascht, auch die gehässigen Kommentare nicht. Gut findet er aber, dass relativ viele Leute Modell Anna O'Brian in Schutz genommen haben oder die Kampagne positiv bewerteten.

Das Argument, das dicken Menschen wohl am häufigsten entgegenschlägt, ist das vom ungesunden Lebensstil: Dicke seien einfach zu faul oder schwach, um ihren Körper in den Griff zu bekommen. Sie schaden damit sich selbst und ihrer Gesundheit. Darum, so schlussfolgern viele, sei es schlecht, dick zu sein. Dicke werden stigmatisiert oder gar angefeindet.

Beleidigt und angegriffen

"Ich halte das für ein vorgeschobenes Argument", sagt Friedrich Schorb. Viele dicke Meschen seien außerdem körperlich aktiv - gerade dann erfahren sie aber besonders viel Abneigung, meint er. Etwa, wenn dicke Menschen schwimmen gehen.

"Wenn dicke Menschen beispielsweise ins Schwimmbad gehen, werden sie besonders häufig nicht nur mit Blicken, sondern auch mit Worten angegriffen."
Friedrich Schorb, Soziologe und Leiter des Wissenschaftlichen Netzwerks "Fat Studies" der Deutschen Forschungsgemeinschaft

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Die Diskriminierung schade Dicken gesundheitlich mindestens genauso so sehr wie das hohe Körpergewicht an sich, sagt der Soziologe. "Die Diskriminierung, die man täglich erfährt, löst Stress aus. Das ist ganz schlecht für die Gesundheit."

Diskriminierung im Gesundheitswesen

Viele dicke Menschen würden berichten, dass sie im Gesundheitswesen benachteiligt werden, berichtet Friedrich Schorb, dass ihre Symptome oder Beschwerden nicht ausreichend ernst genommen würden.

"Es ist immer noch so, dass Gewichtsdiskriminierung nicht ernst genommen wird."
Friedrich Schorb, Soziologe und Leiter des Wissenschaftlichen Netzwerks "Fat Studies" der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Dass Gillette eine Debatte zu diesem Thema anstößt, findet Friedrich Schorb grundsätzlich nicht schlecht. Doch letztendlich gehe es dem Unternehmen natürlich nicht darum, die Diskriminierung zu beenden. Für Gillette stehe das Geschäftsinteresse im Vordergrund.

Sich hinter Dicke stellen

Damit Dicksein nicht weiter stigmatisiert wird, müsste sich mehr tun, meint der Soziologe. Zunächst einmal müsste die Diskriminierung von Dicken ernst genommen und zurückgewiesen werden - so, wie heute viele die Diskriminierung bei anderer sexueller Orientierung oder anderer Hautfarbe es tun.

Man muss abkommen von der Vorstellung, jeder Mensch müsste einem bestimmten Gewicht entsprechen, sagt Friedrich Schorb. Hohes Körpergewicht heiße nicht automatisch, dass jemand krank sei, genauso umgekehrt. Auch die Gesundheitswissenschaften seien gefordert, damit Dicke in der Öffentlichkeit nicht automatisch negativ bewertet werden.