Fast Fashion und die Corona-KriseNäherinnen in Asien: "Die Lage ist ziemlich dramatisch"
Wenn in Europa die Klamottenläden zu sind und der Verkauf stillsteht, bedeutet das auch für diejenigen, die am Anfang der Lieferkette stehen Stillstand. Viele Näherinnen in Asien haben deshalb ihre Arbeit verloren und kaum noch Geld zum Überleben.
In Sri Lanka ist die Lage der Näherinnen und Näher sehr dramatisch, wie Moe Sandar Myint, selbst ehemalige Näherin und nun Gewerkschaftlerin, unserer Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Helene Buchholz erzählt: Viele seien in ihre Dörfer zurückgekehrt und versuchten, sich mit Tagelöhner-Jobs über Wasser zu halten. Die Armut sei groß und das alltägliche Leben sehr eingeschränkt.
"Viele sind jetzt in ihre Dörfer zurück gekehrt und versuchen, sich da mit Tagelöhner-Jobs über Wasser zu halten. Aber das ist natürlich schwierig. Die Armut ist groß, das alltägliche Leben stark eingeschränkt."
Auch in Bangladesch haben laut Gewerkschaften vor Ort rund 65 Prozent der Näherinnen und Näher ihren Job verloren. Einige der Fabrikarbeiter und -arbeiterinnen hätten nicht mal mehr den Lohn für März ausgezahlt bekommen, obwohl sie Anfang des Monats noch gearbeitet hatten.
Kaum Hilfen vom Staat
Von staatlicher Seite gebe es in Bangladesch kaum Hilfe für die Armen in der Bevölkerung. Dabei sind auch die Lebensbedingungen katastrophal, berichtet Helene Buchholz, die dort einen ehemaligen Näher besuchte. Es gibt kein fließendes Wasser in den Häusern und nur ein Waschhaus mit Toiletten für die gesamte Nachbarschaft. Sehr viele Menschen leben auf engstem Raum.
"Die Zustände da sind wirklich krass, kein fließendes Wasser in den Häusern. Es gibt ein Waschhaus mit Toiletten für die gesamte Nachbarschaft. Und hier leben sehr viele Menschen auf engem Raum."
In Sri Lanka gibt es zwar offiziell eine Unterstützung, laut der Gewerkschaft hätten die meisten aber noch nichts von diesem Geld gesehen. Deshalb haben die Mitarbeiterinnen der Gewerkschaft mit anderen Initiativen Essenspakete an die Näherinnen verteilt, damit sie nicht verhungern. Auch in Bangladesch haben die Gewerkschaften Aufgaben der Grundversorgung übernommen.
Wenig Infektionsschutz in den Fabriken
Wann die Fabriken wieder öffnen werden, ist unklar. Doch selbst wenn die Produktion in den kommenden Monaten wieder anläuft, gibt es eine große Gefahr: Ohne ordentliche Vorgaben zum Infektionsschutz könnte das Wiedereröffnen der Fabriken eine Infektionswelle in Myanmar und Sri Lanka auslösen, sagt Helene Buchholz. Bisher seien die Infektionszahlen noch gering. Sie liegen zumindest offiziell nur bei einigen hundert Infizierten.
"Wenn die Fabriken aber wieder öffnen, ist unklar, ob sie tatsächlich die Vorgaben zum Infektionsschutz einhalten. Wenn nicht, könnte die Infektionswelle in Myanmar und Sri Lanka erst richtig los gehen."
Dass es keinen Schutz vor Infektionen gibt, wird auch bei den wenigen Arbeiterinnen offensichtlich, die jetzt noch in den Fabriken sind. Moe Sandar Myint erzählt, dass es keine Möglichkeit gebe, sich vor dem neuen Coronavirus zu schützen. In den Fabriken könne beispielsweise nicht genügend Abstand eingehalten werden und es gebe zu wenig Seife zum Händewaschen.
Arbeitsunfähig mit 25
Die Lage der Näherinnen in asiatischen Ländern war schon vor der Corona-Krise dramatisch: Zehn bis 14 Stunden am Stück, sechs bis sieben Tage die Woche, kein Urlaub, keine Feiertage. So berichten es Näherinnen aus der Nordprovinz von Sri Lanka Helene Buchholz. Viele selbst noch junge Näherinnen seien zum Teil schon krank und arbeitsunfähig gewesen. Viele müssten nach fünf Jahren ihren Job wieder aufgeben, da sie gesundheitlich zu angeschlagen seien.
"Die Näherinnen waren zwischen 17 und 25 Jahre alt und zum Teil schon krank und arbeitsunfähig. Sie haben erzählt, dass die meisten Frauen nach höchstens fünf Jahren den Job wieder aufgeben müssen, weil sie es gesundheitlich nicht mehr schaffen."
Beispielsweise dürften sie während der Arbeit trotz enormer Hitze nichts trinken, um keine Flecken auf die Kleidung zu machen. Viele der Näherinnen litten deshalb nach einiger Zeit an Nierenproblemen.
Der Protest wird lauter
Um sich gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu wehren, gehen immer mehr Menschen in Bangladesch auf die Straße. Auch in Myanmar wurde protestiert, als Ende März eine Fabrik, die für Marken wie Zara oder Mango produziert, mehr als 500 Menschen entlassen hatte.
Nach Protesten schaltete sich der Mutterkonzern von Zara ein, um mit dem Fabrikbesitzer zu verhandeln. Daraufhin wurden einige Arbeiter und Arbeiterinnen wieder eingestellt, die Verhandlungen für weitere Einstellungen laufen noch. "Immerhin, es gibt Kommunikation", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Helene Buchholz. Das sei nicht selbstverständlich.