Familienbesuch in RusslandWenn wir uns wegen unserer Herkunft rechtfertigen müssen
Als Wasilina kürzlich ihre Tante in Sankt Petersburg besuchen will, wird sie von einer ihrer Freundinnen dafür kritisiert. Den Familienbesuch als politisches Bekenntnis auszulegen, findet Wasilina falsch.
Wasilina und ihre Mutter stammen ursprünglich aus der belarussischen Stadt Brest. Als Wasilina elf Jahre alt ist, wandert sie gemeinsam mit ihrer Mutter nach Berlin aus. Obwohl sie schon lange in Deutschland lebt, definiert sich Wasilina selbst als Belarussin.
Ein- bis zweimal im Jahr besucht Wasilina ihre Familie in Russland
Ein Teil von Wasilinas Familie lebt in der russischen Stadt Sankt Petersburg. Als sie kürzlich ihre Tante dort besuchen will, erlebt sie Anfeindungen deswegen. Es ist Wasilina wichtig, den Kontakt zu ihrer Familie zu halten und diese zu besuchen. Sie versteht nicht, weshalb ein Familienbesuch ihr – seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine – als politisches Bekenntnis ausgelegt wird.
"Ich finde, der Besuch bei meiner Familie ist auch kein politischer Akt, den ich durchgeführt habe."
Antirussische und antislawische Ressentiments sind kein neues Phänomen, sagt der Historiker und Migrationsforscher Jannis Panagiotidis. Die Motivation einer Person, die Anfeindungen äußert, hängt auch immer davon ab, wer der Urheber ist, sagt er.
Anfeindungen sind je nach Urheber unterschiedlich motiviert
Wenn es sich beispielsweise um ukrainische Geflüchtete handelt, die antirussische Statements abgeben, so kann das mit den negativen Erfahrungen zusammenhängen, die sie seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine gemacht haben.
Ist derjenige, der Anfeindungen gegen Russen äußert deutscher Herkunft, dann kann es sich schlichtweg auch um "dumpfen, deutschen Rassismus" handeln, sagt der Migrationsforscher.
"Das kann man ja auch durchaus beobachten, dass Leute, auch in den sozialen Netzwerken zum Beispiel, ihren Ressentiments gegen 'die Russen' oder 'den Russen' freien Lauf lassen."
Besonders deutlich treten Vorteile gegen Russen zum Vorschein als in den 1990er-Jahren viele russlanddeutsche Spätaussiedler nach Deutschland kommen. Die Stereotype für die einwandernden russlanddeutschen Männer aus der ehemaligen Sowjetunion:
- alkoholsüchtig
- gewalttätig
Die Stereotype für die Frauen, die damals einwanderten, waren eher sexueller Natur, sie wurden exotisiert, sagt der Migrationsforscher Jannis Panagiotidis.