Familie an WeihnachtenWie wir mit Herausforderungen umgehen

Julie mag Weihnachten – auch, weil sie erstmals die neue Freundin von ihrem Bruder kennenlernt. Weihnachten ist für manche aber auch eine konfliktbehaftete Zeit. Wie wir mit solchen Herausforderungen umgehen können, damit das Fest ein schönes wird, weiß die Psychologin Denise Ginzburg.

Weihnachten fängt für Julie meist schon ab November an. "Dann kann ich es eigentlich gar nicht erwarten, dass überall in der Stadt Lichterketten aufgehängt werden und der Weihnachtsmarkt irgendwann kommt", sagt sie. Dabei sei die Vorweihnachtszeit, in der sich die Stimmung über Wochen aufbaue, tatsächlich schöner, als das Fest selbst.

Julie mag es traditionell an den Festtagen

Die Feiertage selbst verbringt Julie im kleinen Kreis der Familie bei ihren Eltern. Eigentlich mag sie es, wenn Dinge wie Essen, das Tagesprogramm und das Beisammensein mit immer denselben Leuten jedes Jahr gleich ablaufen, sagt sie. Dieses Jahr werde das ein wenig anders sein, denn ihr Bruder bringe seine neue Freundin mit, sagt Julie.

"Die Freundin von meinem Bruder feiert mit ihrer eigenen Familie keine Weihnachten. Von daher finde ich es natürlich schön, dass wir ihr das ermöglichen und dass sie das kennenlernt, wie es bei uns ist."
Julie

Julie freut sich, die Freundin ihres Bruders, die mit ihrer eigenen Familie kein Weihnachten feiert, kennenzulernen und ihr zu zeigen, wie das bei ihnen daheim ist.

Alle bei den Eltern: Das Bad wird voll

"Weihnachten war immer ein bisschen stimmungsvoll in alle Richtungen", sagt Juli. Dieses Jahr könnte es ein bisschen anstrengender werden mit einer Person mehr im Haus. Das Bad werde wahrscheinlich ständig belegt sein und auch ihr Bruder wisse – wie das bei Geschwistern so ist – mit welchen Reizthemen er sie kitzeln und provozieren könne. Wenn jeder seine Bedürfnisse ein wenig zurückstelle, dann werde sich schon ein gemeinsamer Nenner finden.

"Ich habe meinem Freund schon ganz viele Fragen gestellt, wie das denn so ist bei seiner Familie mit ausschlafen."
Julie

Nach den Feiertagen fährt Juli dann mit ihrem Freund und seiner Familie nach Dänemark in den Urlaub. Das wird aufregend und darauf freut sie sich fast noch ein bisschen mehr als auf das eigentliche Weihnachtsfest, sagt sie. Das sei dann Urlaub nach dem ganzen Feiertagsprogramm.

Julie lernt an Weihnachen die neue Freundin des Bruders kennen

Sie kenne die Eltern und den Bruder des Freundes zwar schon, aber eine Woche gemeinsam unter einem Dach – das gab es bisher nicht. Wichtig sei ihr auf jeden Fall, ausreichend Schlaf nachholen zu können. "Ich habe meinem Freund schon ganz viele Fragen gestellt, wie das denn so ist bei seiner Familie mit ausschlafen", sagt sie.

Das Märchen vom sinnlichen Weihnachtsfest

Das perfekte Weihnachten ganz ohne individuelle Herausforderungen – die Psychologin Denise Ginzburg hält das für ein Gerücht. "Weihnachten, das Fest der Familie, alle sind so sinnlich, das sind die schönen Weihnachtsgeschichten, von denen man hört und glaubt, dass es bei anderen so läuft, sagt sie. Wer versuche, diesem Erwartungsdruck gerecht zu werden, sei am Ende nur noch mehr gestresst.

"Weihnachten, das Fest der Familie, alle sind so sinnlich... das sind die schönen Weihnachtsgeschichten, von denen man hört und glaubt, dass es bei anderen so läuft."
Denise Ginzburg, Psychologin

Schwierig wird es vor allem, wenn wir nicht authentisch sein können und uns den Mund verbieten, anstatt einfach mal zuzugeben, dass wir gerade voll gestresst sind, so die Psychologin. Sie rät, sich der eigenen Bedürfnisse und Wünsche viel mehr bewusst zu werden: "Muss da der groß geschmückte Baum stehen? Muss das immer so ein riesiges Essen sein? Können wir auch einfach Pizza bestellen?" Dieses Weihnachten sei es für solche Umsturzpläne womöglich schon zu spät, aber mit ein bisschen mehr Vorlauf und guten Vorschlägen vielleicht ja etwas für das kommende Jahr.

Selbstschutz statt Streit

Der Tisch noch nicht gedeckt, das Essen immer noch nicht fertig – auch die anderen Familienmitglieder können am Fest gestresst sein, merken vielleicht aber nicht, dass sie einem Muster folgen. Dann könnten wir schauen, wie wir ihnen dabei helfen, das zu erkennen. Dabei kommt es auch auf das Wie und die Worte an, damit das Gegenüber nicht in eine Abwehrhaltung gehe. "Das ist schwierig, denn man möchte sich dann so schnell verteidigen", sagt Denise Ginzburg. Zuhören sei wichtig, das eröffne auch den Raum, selbst etwas sagen zu können.

"Ich darf aber auch sagen: ‚Nein, das tut mir jetzt nicht gut. Es ist auch mein Weihnachtsfest.‘ Und wenn ich merke, es wird zu viel, dann darf ich auch gehen oder Mini-Timeouts nehmen."
Denise Ginzburg, Psychologin

An Weihnachten kommt es in einigen Familien auch zu größeren Streitereien oder alte Konflikte brechen wieder auf. Für manche ist Weihnachten vielleicht auch ein Anlass, etwas zu klären. Wenn wir aber keine Lust auf Diskussionen haben, dann sei Selbstschutz wichtig. Dann dürfen wir uns natürlich auch aus einer Situation herausziehen, Mini-Timeouts nehmen oder andere Ausweichmöglichkeiten suchen. Denise Ginzburg erinnert daran, nicht zu vergessen: "Es ist auch mein Weihnachtsfest."