Fall Lina E.Journalistin zu Demo-Verbot: "Die Polizei erhofft sich Demobilisierung"

Nach den Urteilen gegen Lina E. und zwei Mittäter drohen Teile der linken Szene mit Demonstrationen und Gewalt am Wochenende. Die Journalistin Antonie Rietzschel mit einer Eischätzung aus Leipzig.

Nach den Gerichtsurteilen gegen Lina E. und drei Mitangeklagte hat die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig eine für Samstag, den 03. Juni 2023, geplante Demonstration der linken Szene verboten. Die drei Verurteilten waren politisch motiviert. Sie gehören linksextremen Kreisen an.

Lina E. und drei weiteren Menschen waren zuvor zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden - wegen gewaltvoller Angriffen auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten und Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Bereits direkt nach dem Urteil gab es in Leipzig, aber auch in Bremen und Hamburg teilweise gewaltsame Proteste der linken Szene.

Hoffen auf Demobilisierung

Der Prozess zeige, dass sich die linksextreme Szene verändert, sagt Antonie Rietzschel. Sie arbeitet für die Leipziger Volkszeitung und hat den Podcast "Der Fall Lina E.: Wenn der Kampf gegen Neonazis in Gewalt eskaliert" veröffentlicht. Sie sagt über die linksextreme Szene: "Es gibt Gruppierungen, die abtauchen, die gezielt solche Angriffe planen."

"Die Polizei erhofft sich jetzt ein bisschen Demobilisierung, dass vielleicht Leute sagen: Gut, dann fahren wir jetzt nicht dahin."
Antonie Rietzschel, Journalistin, Leipziger Volkszeitung

Auch wenn die weitaus überwiegende Zahl der politisch motivierten Gewalttaten auf Rechtsextreme zurückgeht, sei das eine besorgniserregende Entwicklung, die in eine Spirale der Gewalt münden könne.

Extremistische Gewalt ins Verhältnis gesetzt

Insgesamt aber hat die Zahl der Straftaten im linksextremen Spektrum 2022 um 31 Prozentpunkte auf gut 7000 Fälle abgenommen. Im rechtsextremen Spektrum war hingegen für 2022 eine Zunahme um sieben Prozentpunkten zu verzeichnen. Die absolute Zahl lag in diesem Spektrum bei über 23.000 Taten.

"Ein Mitglied des Landtages, die Linken-Politikerin Juliane Nagel wurde von der Polizei abgeführt – mit einem Schmerzgriff möglicherweise."
Antonie Rietzschel, Journalistin, Leipziger Volkszeitung

Für das Wochenende erhofft sich die Polizei durch umfassende, anlasslose Personenkontrollen Demobilisierungseffekte. Weniger Demonstrierende sollen nach Leipzig kommen. Antonie Rietzschel weist darauf hin, dass aber die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) bei einer Demonstration abgeführt worden ist. Mit Blick auf den Einsatz der Polizei sei erstmal kein guter Start, findet die Journalistin.

Die Stadtverwaltung begründete das Verbot der Demonstration mit den Gefahrenprognosen der Polizei sowie der Lageeinschätzung des Verfassungsschutzes. Die Anmeldenden der Demonstration gehen gegen das Verbot gerichtlich vor. Beim Verwaltungsgericht Leipzig ging noch in der Nacht zum 02.Juni 2023 ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ein. Darüber werde voraussichtlich am Freitagnachmittag in einem Eilverfahren entschieden, erklärte ein Gerichtssprecher.

Die linke Szene mobilisiert für Samstag bundesweit für eine Tag-X-Demo in Leipzig. Auf Indymedia, einem von Sicherheitsbehörden als linksextremistisch eingestuften Internetportal, drohten autonome Gruppen für jedes Jahr Haft bundesweit mit Sachschäden in Millionenhöhe (Stand 02.Juni 2023).