ExtrawurstWenn wir anders essen müssen
Gluten ist für sie ein Tabu: Ihre Zöliakie schränkt Antonia gewaltig ein, aber sie geht damit gelassen um. Offene Kommunikation macht Ausgrenzung beim Essen zumindest unwahrscheinlicher, erklärt Juliette Wernicke. Sie ist Psychologin und spezialisiert auf Ernährung.
Ich finde schon irgendwas, einen Salat oder so. Sucht ihr was aus. Das sagt Antonia häufiger, wenn sie zum Essen eingeladen ist. Zöliakie heißt ihre Erkrankung. Sie verträgt kein Gluten und das Klebereiweiß ist einfach in vielen Gerichten enthalten. Zum Kennenlernen gehöre es demnach dazu, von ihrer Unverträglichkeit zu sprechen. Sie sagt: "Neue Leute kennenlernen heißt auch: wieder alles von vorne erklären."
Die Glutenunverträglichkeit bringt auch höhere Ausgaben mit sich. Denn Nahrungsmittel, die glutenfrei produziert werden, sind deutlich teurer als die glutenhaltigen Originale. "Als ich das bekommen habe, ist meine Mama immer im Reformhaus einkaufen gegangen. Die Sachen waren nicht lecker und unfassbar teuer", sagt sie.
Schmerzen durch Gluten
Wenn Antonia glutenhaltiges Essen zu sich nimmt, spielt ihr Bauch verrückt. Sie bekommt dann Magen- und Bauchschmerzen. Der Stoff schädigt ihren Darm und führt dazu, dass sie leichter an Darmkrebs und anderen Darmkrankheiten erkranken kann.
"Wir haben alle am Anfang vom Darm kleine Darmzotten. Wenn ich Gluten esse, dann werden die stark geschädigt."
Mit etwa sechs Jahren wurde die Krankheit bei ihr diagnostiziert. Heute ist Antonia Anfang 20 und diskutiert ihre Probleme auch mit ihren Followern. Ein bisschen einfacher wird ihr Leben dadurch, dass die Familie ihres Freundes gut damit umgeht. Auch die App Find Me Gluten Free hilft ihr, wenn sie unterwegs ist. Damit lassen sich Läden finden, die ohne Gluten kochen können.
"Man merkt oft an der Reaktion von Menschen, ob die gerade einen Plan haben oder ob sie keinen Plan haben."
Eigentlich will niemand kompliziert sein – gerade beim Thema Essen nicht, sagt die Psychologin Juliette Wernicke. Sie ist auf Essen und Ernährung spezialisiert. Das liege auch daran, dass gemeinsames Essen ein bindungsstärkendes Ritual ist – beginnend beim Stillen des Säuglings durch die Mutter. Gemeinsames Essen habe evolutionär und gesellschaftlich eine sehr, sehr lange Tradition.
"Wir sind eigentlich damit aufgewachsen, dass gemeinsames Essen immer ein Bindungsritual darstellt."
Während in anderen Lebensbereichen Individualität gefordert ist, sei es beim Essen eher Uniformität und eine gewisse Angepasstheit. Deshalb empfiehlt sie, Unverträglichkeiten und Bedürfnisse beim Essen offen zu kommunizieren.
Alternativen zum gemeinsamen Essen
Eine andere Option ist für sie, dass Essensthema mit Freund*innen nicht wichtiger zu machen, als es ist. Es gibt ja auch noch andere Aktivitäten.
"Wir müssen nicht immer gemeinsam essen gehen und das Essensthema so groß werden lassen. Wir können doch einfach was Anderes unternehmen."